Sprechen Sie fremd?
Das Gegenüber lächelt freundlich, und man selbst bringt nichts heraus als ein schüchtern-deplatziertes „thank you“? Einige am Tisch tauschen sich in rasender Geschwindigkeit über etwas aus, Gelächter und… wieder nichts verstanden, von einer schlagfertigen Antwort ganz zu schweigen? So oder ähnlich sehen sie aus, die Szenen, in denen wir uns schwören, endlich unsere Fremdsprachenkenntnisse aufzupolieren.
Der Markt bietet heute eine breite Palette von Selbstlern-Kursen und Ratgebern, auf den guten Vorsatz folgt die Qual der Wahl: Vollmundige Versprechungen wecken die Hoffnung, nicht nur schnell, sondern auch ohne merkliche Anstrengung zum Ziel zu führen. Um diesem Wunschtraum möglichst nahe zu kommen, sollte man sich zum Einstieg fragen, ob das Ziel und der eigene Lernstil zu Anspruch und Methode des Kurses passen.
Entscheidend: das passende Lehrwerk
Anfängern innerhalb von 3 Monaten „Grundkenntnisse des Spanischen“ zu vermitteln, verspricht die „Sprachlerntasche Spanisch“ (auch für Französisch und Italienisch erhältlich) des Hueber-Verlags. Sie enthält das Lehrbuch, ein grammatisches Begleitbuch mit Regeln und Übungen („Power-Grammatik“), ein thematisch gegliedertes Wörterbuch („Grundwortschatz“) und einen so genannten „Lernplan“. In insgesamt 30 Dialogen werden die für Lehrbücher typischen Szenen eingeübt. Von „¡Hola, qué tal!“ („Hallo, wie geht’s!“) über die Geburtstagsfeier bis zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kann man diesen auch von der Begleit-CD lauschen sowie auf Spanisch und Deutsch mitlesen. Ergänzt wird diese stark schematische Herangehensweise durch landeskundliche Informationen und Grammatikerklärungen. Übervereinfachung und übertriebenes Eindeutschen stiften hier allerdings mehr Verwirrung als Klarheit. Offenbar zu viel des Guten wollten die Autoren auch bei der Erstellung des thematischen Wortschatzes, der neben den gebräuchlichsten Wörtern zum jeweiligen Lektionsthema auch weniger gebräuchliche Ausdrücke und typische Sätze auflistet. Entsprechend schwer lässt sich das Büchlein verwenden und zwingt die Benutzer so, Vokabeln in gewohnter Manier mit der spanisch-deutschen Liste am Ende jeder Lektion zu lernen. Positiv sticht die „Power-Grammatik“ hervor: die übersichtliche Gliederung (links Erklärungen, rechts Übungen) und ein Cartoon, der das jeweilige Thema auf humoristische Weise verdeutlicht, verschaffen Überblick und Spaß an der Sache zugleich. Hier heißen „Hauptwörter“ auch wieder „Substantive“, und der ungebräuchliche Ausdruck „Mittelwort“ wird durch das bekanntere „Partizip“ ersetzt.
Insgesamt hätten weniger Übereifer und mehr Kreativität bei der Gesamtkonzeption dem Werk gut getan. So bleibt der fade Geschmack eines „Schulunterrichts ohne Lehrer“.
Schule ohne Lehrer
Ganz anders kommt „Italienisch Wort für Wort“ aus der „Kauderwelsch“-Reihe daher. Wie das gesamte Programm des Verlages richtet sich dieses Bändchen an Globetrotter, die auf Reisen spontan mit der Bevölkerung in Kontakt treten möchten und vor ein wenig Radebrechen nicht zurückschrecken. Das Konzept ist denkbar einfach und beruht im Wesentlichen auf zwei Prinzipien: Erstens wird jeder Satz der Fremdsprache nicht nur in korrektem Deutsch, sondern auch als Interlinear-Übersetzung dargestellt: die fremde Sprachstruktur wird mit deutschem Vokabular „nachgebaut“, was neben dem Erklärungs- gelegentlich auch einen Unterhaltungswert bietet. Zweitens werden für jede typische Szene Beispielsätze gegeben, in die der Benutzer nach dem Baukastensystem die für seine Zwecke passenden Vokabeln („Mir ist heiß/kalt/schwindlig…“) einsetzt. Dass hierbei in einigen Sprachen die Feinheiten, wie beispielsweise Endungen, zu kurz kommen, ist klar. Es stört aber nicht sonderlich in einem Lehrwerk, das einem auf 128 Seiten dazu verhilft, sich in einer bislang völlig fremden Sprache leidlich zu verständigen.
Sprechen nach dem Baukasten-Prinzip
In der Digitalversion verliert das Büchlein allerdings einen seiner wichtigsten Vorzüge: Ausdrucken kann man das pdf-Dokument – aus nahe liegenden Gründen – nicht. Damit sind auch die Schlüsselsätze, die in den Umschlagklappen abgedruckt sind, nicht mehr in jeder Situation sekundenschnell zur Hand. Ob es für die Zielgruppe der Globetrotter ein guter Tausch ist, stattdessen die Aussprache per Mausklick abzurufen, bleibt fraglich.
Alles in allem ist das Konzept – ob gedruckt oder digital – eine runde Sache für Menschen, die sich das spontane Radebrechen im Gespräch zutrauen – übrigens für über 190 Sprachen von Sächsisch (!) bis Suaheli. Nicht gedacht ist „Kauderwelsch“ dagegen zum Erlernen der Schriftsprache. Und auch wer ein wenig mehr Struktur benötigt und sich gar nicht damit anfreunden kann, die fremde Grammatik als Logik-Trainer mit humoristischen Einlagen aufzufassen, ist hier weniger gut aufgehoben.
Wer mehr benötigt als ein sprachliches „Notfall-Kit“ wird in der Reihe „ohne Mühe“ von Assimil fündig. Nach Angaben der Herausgeber führt die Methode innerhalb von drei Monaten zum „fließenden Sprechen in der Fremdsprache“. Angeblich empfindet das Konzept den kindlichen Spracherwerbsprozess in der Muttersprache nach. Zweisprachig abgedruckte Lektionstexte bilden den Kern der layout-technisch simpel gestalteten Lehrbücher. Wie bei „Kauderwelsch“ gibt es auch hier eine Wort-für-Wort-Übersetzung. Die Lernenden sollen sich gewissermaßen mit den fremden Sprachstrukturen „imprägnieren“. Grammatikalische Phänomene werden nach und nach in einer Art „Fußnote“ erläutert, das Wichtigste in jeder siebten Lektion noch einmal zusammengefasst. Unmittelbar sympathisch auf den gebeutelten (Ex-)Schüler wirkt die ausdrückliche Aufforderung, (unregelmäßige) Verben, Beugungen oder auch Vokabeln nicht systematisch zu lernen. Eine angenehme Abwechslung zum Lehrbuch-Einerlei stellen auch die Lektionstexte dar: Allgemein verbreitete Annahmen („Zeit ist Geld“,…) kommen in Dialog- oder Anekdotenform daher, nicht selten gespickt mit einem hintergründigen Humor, der auch das Cartoon in jeder Lektion zum Sahnehäubchen jedes Sprachlern-Tages werden lässt.
Erstaunlicherweise wächst in den angegebenen 30 Minuten pro Tag tatsächlich der Wortschatz, und man fühlt sich in der Fremdsprache immer mehr zuhause. Erkauft wird dieser Vorteil damit, dass zunächst das gesamte „Kursprogramm“ erarbeitet werden muss, um das für typische Reise- oder Arbeitssituationen gebräuchliche Vokabular zur Hand zu haben. Muttersprachler haben zudem festgestellt, dass die in einigen Versionen vorgestellten Ausdrucksweisen eben nicht (mehr) dem aktuellen Sprachgebrauch entsprachen, was der Herausgeber aber wohl mit der Edition „Das neue … ohne Mühe“ zu beheben versucht.
In der Fremdsprache zuhause
Wer bereit ist, sich auf die etwas unkonventionelle Herangehensweise einzulassen, kann nach der Assimil-„Sprachkur“ schon recht passabel losreden und verstehen. Weniger geübte Lernende dürften offensichtliche und sprachlern-typische Strukturen vermissen, wie beispielsweise die Muster der Verbbeugung – zumal, wenn sie später in einem Kurs oder mit einem konventionelleren Lehrwerk weitermachen möchten. Ein Wermutstropfen ist der mit 80 Euro für vier CDs doch recht hohe Preis, der für das Erlernen der richtigen Aussprache zu entrichten wäre.
Eine systematische Herangehensweise an das Sprachenlernen entwickeln können Leserinnen und Leser des rororo-Taschenbuchs „Sprachen lernen“ von R. Kleinschmidt. Der Autor räumt mit dem gängigen Vorurteil auf, im Erwachsenenalter könne man keine Fremdsprachen mehr lernen und argumentiert, dass Menschen sich meist vorschnell als „sprachunbegabt“ einschätzen. Von diesem ermutigenden Ausgangspunkt kommt er zügig zu den aus seiner Sicht bestimmenden Faktoren erfolgreichen Sprachenlernens: Motivation und die richtige „Technik“. Als Einstieg beschreibt er sehr vereinfacht die Funktionsweise des menschlichen Gehirns beim Lernen. Auf diesem Weg bekommen die Leser einige gut umsetzbare Hinweise an die Hand, wie sich Vokabeln ebenso effizient wie interessant, und somit wiederum motivierend, lernen lassen (Seite 69ff.).
Erwartungsgemäß an ihre Grenzen stößt die Zuordnung von Denken, Sprachstruktur und Lerntechnik jedoch dort, wo sie weniger offensichtlich und kaum noch intuitiv nachvollziehbar ist: beim Lernen der Grammatik und dem Training der Teilfertigkeiten Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben. Hier verrät sich der Autor als Gymnasiallehrer, der – halb zum eigenen Bedauern – aus seiner „Systematik“ nichts anderes ableiten kann als das monotone Wiederholen meist in unangenehmer Erinnerung gebliebener „Drills“ und einige infantile rechnergestützte Lernumgebungen (S. 181f.).
Grenzen der „richtigen Lerntechnik“
Zwischen allerlei Produktbeschreibungen findet nur der eingeweihte Leser die wirklich hilfreichen Anregungen – etwa zur bewussten Nutzung des muttersprachlichen Sprachgefühls oder von Fremdwörtern als „Brücken“ zur Fremdsprache. Die Botschaft, wie sich Schwierigkeiten beim Sprachenlernen überwinden lassen, vermittelt das layout-technisch sehr ansprechend gestaltete Bändchen also nur teilweise überzeugend.
Wer nach der Formel „Ergebnis pro Zeit“ geht, findet in „EuroComRom – Die Sieben Siebe“ die wohl effizienteste Methode, Fremdsprachen zu lernen: Nicht weniger als sechs romanische Sprachen stellt es dem Leser vor und verspricht im Untertitel nicht unbescheiden, dass man diese daraufhin „sofort lesen kann“. Der Trick besteht in der geschickten Nutzung von Fremdwörtern, die der erwachsenen Zielgruppe geläufig sind – sowohl vom Deutschen her wie beispielsweise auch aus einem früheren Englisch-, Französisch- oder Lateinunterricht. Hinzu kommt die Fähigkeit des Menschen, nicht unmittelbar verständliche Informationen durch Rückgriff auf allgemeine Kenntnisse über die Welt oder den Gegenstandsbereich zu erschließen. Sie ist besonders beim Lesen eine große Hilfe (S. 13).
Fremdprachen, die man eigentlich schon kennt!
Aus diesen Ideen entwickelt das Buch eine Technik und führt die Funktionsweise sogleich an einem mit Fremdwörtern gespickten deutschen und einem aus dem Zusammenhang erschließbaren französischen Text voller „Internationalismen“ vor. Den eigentlichen Kern der Methode bilden die „Sieben Siebe“. Dabei handelt es sich um Regeln für systematische Entsprechungen zwischen den romanischen Sprachen, deren Anwendung die Leser gleich an Beispieltexten ausprobieren können. Autoren und Schriftsetzer haben hier eine eindrucksvoll detaillierte Vorarbeit geleistet, indem sie die einzelnen Phänomene und den gedanklichen Weg von der fremdsprachigen zur korrekten deutschen Struktur durch Gegenüberstellung von Text und Wort-für-Wort-Übersetzung mit den entsprechenden Hinweisen nachzeichnen.
Die Methode, das „optimierten Erschließens“ wird in einem abschließenden Kapitel noch einmal kompakt dargestellt. Im Anhang befinden sich die „Sprachportraits“ mit der unvermeidlichen Liste von Wörtern, die sich nicht von anderen Sprachen her erschließen lassen, in der Regel aber zu den häufigsten gehören – ein erster Schritt zur Vertiefung eines der behandelten Idiome. Hinzu kommen Informationen zur Sprachgeschichte und die so genannte „Charakteristik“: der durchaus lesenswerte Versuch der Autoren, den „Lese- und Höreindruck der Sprache in Worte zu fassen“ (S. 16).
„Optimiertes Erschließen“
Das Buch richtet sich explizit an (bisher) nicht Sprachbegeisterte. Für sie wie auch für alle anderen bietet es eine echte Alternative zu den langweiligen Lektionen und der fehlenden Systematik mancher Sprachkurse. Ein äußerst empfehlenswerter Einstieg, der nicht nur die Grundlagen bietet, sondern dazu noch wirklich Lust macht, sich mit Fremdsprachen zu beschäftigen.
Frederick Bodmers 1944 erschienenes Werk „Die Sprachen der Welt“ (Original „The Loom of Language“) ist der Klassiker unter den nicht-klassischer Sprachlern-Ansätzen. So einfach wie erhellend ist der Ausgangspunkt des Werkes: Bodmer geht von einem engen Zusammenhang aus besteht zwischen dem Zweck, zu dem eine Fremdsprache verwendet werden soll sowie den Teilmengen von Vokabeln und grammatischen Strukturen, die man dazu erlernen muss. Um zu verdeutlichen, wie genau seine Leser die benötigten Elemente finden, nimmt der Autor sie mit auf eine ebenso lange wie spannende Reise durch die Entstehungsgeschichte der indo-europäischen Sprachfamilie. Da alle Darlegungen nicht für englische und deutsche Muttersprachler gleichermaßen nachvollziehbar sind, wurde als Besonderheit in der deutschen Übersetzung ein Kapitel komplett umgeschrieben. Obwohl es eine Reihe wertvoller Hinweise zum Sprachenlernen enthält, eignet sich das Buch jedoch nicht als praktischer Ratgeber für den Hausgebrauch. Stattdessen ist es ein anspruchsvolles Nachschlagewerk, linguistisches Kuriositätenkabinett sowie möglicherweise auch der Schmöker für kommende Winterabende.
Links zum Thema
- EuroComRom und weitere Sprachen
Zur Person
Christiane Zehrer studierte Internationales Informationsmanagement mit dem Schwerpunkt Angewandte Sprachwissenschaft und hatte somit reichlich Gelegenheit, die Bedeutung von Sprachkenntnissen und die Hürden bei ihrem Erwerb theoretisch und praktisch auszuloten.
Literatur
- Meine Sprachlerntasche Spanisch. München: Hueber, 2006.
- Ela Strieda (2001): Italienisch Wort für Wort digital. Fernwald [Kauderwelsch; 22].
- Barbara Kuszmider (1995): Polnisch ohne Mühe. Chennevières-sur-Marnes (F).
- Horst G. Klein/Tilbert D. Stegmann (2000): EuroComRom – Die sieben Siebe. Romanische Sprachen sofort lesen können. Aachen.
- Frederick Bodmer (2004): Die Sprachen der Welt. Geschichte, Grammatik, Wortschatz in vergleichender Darstellung. Köln.
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Themen: Sprachen