Die vertikale Stadt: Zukunft oder Wunschtraum?
Wettkampf bis zum Äußersten
Hohe Bauten gibt es schon seit tausenden von Jahren. Man denke an die Pyramiden der Pharaonen, an die Tempel der Azteken oder an die gotischen Kathedralen in Europa. Selbst in der Bibel streben Menschen nach Höherem und beginnen mit dem Turmbau zu Babel.
Sprung in das 21. Jahrhundert. Die „Faszination Wolkenkratzer“ ist ungebrochen. Immer mehr und immer höhere Ungetüme schießen aus der Erde. Besonders im asiatischen Raum, in dem die Bevölkerung explodiert, sind die Riesen gefragt wie nie. Kein Wunder das einer der höchsten Wolkenkratzer der Welt hier erbaut wurde. „Taipei 101“ in Taiwan erreicht eine Höhe von 508 Metern mit 101 Etagen. Den Weltrekord als höchstes Gebäude der Erde hält jedoch der kürzlich entstandene „Burj Dubai“ in Dubai. Dieser misst gewaltige 800m. Doch auch der Höhe eines Wolkenkratzers sind Grenzen gesetzt. Denn das Eigengewicht nimmt mit der Höhe zu. Folglich lastet auf den tragenden Wänden der unteren Etagen immer mehr Druck – und der macht die Wolkenkratzer instabil.
Bionik
Die Bionik entschlüsselt die „Erfindungen der Natur“ und ihrer technischen Umsetzung. Außerdem ist sie ein interdisziplinärer Bereich, das heißt sowohl Naturwissenschaftler, Ingenieure als auch Vertreter anderer Disziplinen wie etwa Architekten oder Designer arbeiten zusammen. Das Wort Bionik setzt sich aus Biologie und Technik zusammen
Klassische Stahlbetonmischungen, der bisher stabilste Hochhausbaustoff, halten 100 Newton (10kg) pro Quadratmillimeter aus. Sobald mehr Gewicht auf dieser Fläche lastet, ist es unmöglich noch höher zu bauen. Die relativ junge Wissenschaft der Bionik, die Prinzipien der Natur mit Technik verbindet, hat dafür eine Lösung. Das Vorbild für einen ultraleichten Werkstoff ist der Pflanzenhalm oder Winterschachtelhalm. Durch die spezielle Bauweise dieser Pflanze, einer Doppelringstruktur mit verbindenden Balken, ist das Gras äußerst leicht und doch stabil und elastisch. Mit diesem Model aus der Natur kann das Eigengewicht der Wolkenkratzer verringert werden. Somit wäre auch eine größere Höhe möglich. Der Werkstoff ist jedoch noch nicht marktreif.
Ein anderes Beispiel aus der Bionik begegnet uns in der Millionenmetropole Shanghai. Hier wollen Architekten mit dem 1228m hohen „Bionik Tower“ erstmals die Kilometergrenze durchbrechen. Das Kolossale Bauwerk soll nach dem Vorbild eines Baumes erbaut werden. Dazu verjüngt sich das Gebäude nach oben, als nähme man einen „Jahresring“ nach dem anderen weg. Das Betonfundament wäre 200 Meter unter der Erde in einem künstlichen See verankert und sollte Stöße von möglichen Erdbeben abfedern können, die eine weitere Gefahr für die Giganten darstellen. Aber schon lange ist die möglichst große Höhe nicht das einzige Ziel der Architekten, denn immer mehr rücken die Schlüsselwörter Ökologie und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt.
Grüne Riesen
Die Notwendigkeit ökologisch zu handeln um unsere Umwelt und somit uns selbst zu schützen, dringt langsam in das Bewusstsein der Architekten. Hochhäuser, die sehr viel Energie verbrauchen, werden immer weniger beliebt. Dagegen steigt die Nachfrage für die so genannten grünen Riesen. Diese Giganten sollen in der Lage sein, sich selbst zu versorgen. Wiederverwertbare Energien wie Solar- und Windkraft sind daher viel versprechende Möglichkeiten, die Hochhäuser umweltfreundlich zu gestalten. Zur effektiven Wärmespeicherung ist die Natur einmal mehr Vorbild.
Die im Himalaya lebenden Glasschnecken besitzen durchsichtige Schneckenhäuser, die den Tieren in 3000m Höhe auf die gleiche Weise Wärme spenden wie Gewächshäuser Tomatenpflanzen. Der hierbei ein Rolle spielende Treibhauseffekt haben auch Architekten beim Luxushotel „Arabian Tower“ in Dubai genutzt, und diesen folglich möglichst durchsichtig entworfen. Das Ergebnis ist ein futuristisch anmutendes Gebäude mit einem klimatisch angenehmen Innenraum.
Um die Lebensqualität in den Wolkenkratzern zu verbessern, integrieren die Architekten vertikale Landschaften in die Gigantenkomplexe sowie klimatisierende Wassernebel und Wände aus Regenwasser. Wie „grün“ ein Hochhaus ist, bewertet das amerikanische LEED-System ( L eadership in E nergy and E nvironmental D esign). Verwendung von Recycling-Materialen, Einsparung von Wasser aber vor allem sparsamer Energieverbrauch sind einige der Bewertungskriterien. Insgesamt 81 Punkte können für besonders umweltgerechtes Bauen vergeben werden, ab einer bestimmten Punktzahl gibt es dann Auszeichnungen in Silber, Gold und Platin. Der „Bank of America Tower“ in Manhattan erhielt vor kurzem als einer der grünsten Wolkenkratzer Amerikas Platin.
Auch in Deutschland setzt sich inzwischen umweltfreundliches Bauen durch. Bald soll in Hamburg das größte Hochhaus Europas gebaut werden. Das 228m messende "Lighthouse" wäre komplett aus Glas und deswegen lichtdurchlässig und energiesparend. Mit seiner geschraubten Form soll es außerdem den für Norddeutschland typischen Winden trotzen können.
Der neuen Generation von umweltfreundlichen Wolkenkratzern stehen noch viele Hindernisse im Wege. Nicht umsonst sehen sich Experten mit einer der größten Herausforderungen seit Erfindung der Wolkenkratzer konfrontiert. An einigen Stellen ist die Technik noch nicht so weit fortgeschritten, um alle Einfälle umsetzen zu können und natürlich ist da auch noch der Kostenfaktor. Aber es gibt Grund zur Hoffnung, dass der wachsende Menschheit und der bedrohten Umwelt auf dieselbe Weise geholfen werden kann.
Die Top Fünf der höchsten Wolkenkratzer
- 801m: Burj Dubai in Dubai
Vereinigte arabische Emirate - 509m: Taipei101 in Taipeh
Taiwan - 492m: Shanghai World Financial Center
Shanghai, China - 452m: Petronas Tower 1 und 2
Kuala Lampur, Malaysien - 442m: Sears Towers
Chicago, USA
Links zum Thema
- Mehr über Wolkenkratzer und ihre technischen Besonderheiten
- Der Innere Aufbau eines grünen Riesen – Bank of America Tower
- Netzwerk für Bionik
- Seite über den höchsten Wolkenkratzer der Welt "Burj Dubai"
- Bilder von Entwürfen für das Lighthouse in Hamburg
Zur Person
Monika Witzenberger besucht die 10. Klasse eines musischen Gymnasiums. Mit ihrem Text über bionisches Bauen hat sie den Sonderpreis beim sciencegarden-Schreibwettbewerb gewonnen.
Literatur
- Martina Rüter (2007): Bionik. München.