Schlauer Staub fürs Weingebiet
Über die Zukunftstechnologie Smart Dust sprachen wir mit Stephan Guttowski vom Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM).
sg: Können Sie uns kurz erklären, was Smart Dust genau ist?
Guttowski: Aber gerne. Das sind kleinste, drahtlos kommunizierende Minicomputer. Sie sind ausgestattet mit Sensoren Dadurch können sie selbstständig Informationen sammeln und an eine Basisstation weiterleiten. Man nennt sie Sensornetz oder Sensorknoten.
sg: Welche Abmessung hat denn der kleinste Smart Dust?
G: Auf Staubkorngröße sind wir noch nicht ganz. Aber eine Kantenlänge von sechs Millimetern haben wir schon erreicht. Das ist in etwa so groß wie ein Streichholzkopf. Vor zwei Jahren waren die Sensoren noch so groß wie ein Stück Zucker. Wir arbeiten natürlich daran, sie weiter zu verkleinern. Leider ist es schwierig, dafür Forschungsgelder zu ergattern, da die Technologie in naher Zukunft noch nicht eingesetzt werden kann.
sg: Wofür kann die Technologie später verwendet werden?
Was ist Smart Dust?
Eine Erläuterung als Audiopodcast.
G: Da gibt es viele Anwendungsbereiche. In Fabriken kann man sie an schlecht zugänglichen Stellen einsetzen. Sie können dort etwa die Temperatur überwachen. Auch Strommasten und Leitungen sind eher schwer zu erreichen. Hier könnte man mittels Sensoren permanent den Zustand kontrollieren.
Für die Brückenüberwachung eignet sich Smart Dust ebenfalls hervorragend. Dort können Schwingungssensoren melden, ob die Brücke durch den Verkehr oder auch durch einen Sturm zu stark in Schwingung gerät.
sg: Smart Dust dient ja vorrangig dem Sammeln von Informationen, die wiederum gespeichert werden müssen. Steht den Sensoren genügend Kapazität zur Verfügung?
G: Das kommt ganz auf die Anwendung an. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Denken Sie an einen Weinberg. Will der Winzer etwa kontrollieren, ob jede einzelne Pflanze genügend Wasser zur Verfügung hat, so braucht man kaum Speicher, denn der Sensor muss nur etwa einmal pro Stunde messen. Danach kann er die Informationen sofort wieder löschen. Will der Winzer nun aber ein Profil von jeder Pflanze erstellen, so muss er über die Zeit alle Messungen speichern, um sie später vergleichen zu können. Dafür braucht man deutlich mehr Speicher, was zur Zeit noch problematisch ist.
sg: Die Sensoren sollen ja auch untereinander kommunizieren und Informationen austauschen. Auf welche Weise tun sie das?
G: Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Sie können per Funk, via Radiowellen oder Bluetooth miteinander in Kontakt treten. Gefunkt wird über Antennen.
sg: Wie hoch ist hier die Reichweite?
G: Die Reichweite ist unterschiedlich, je größer die Antenne, desto weiter kann man funken. Maximal ist eine Reichweite von ein paar hundert Metern möglich. Bei Bluetooth wird standardmäßig mit einer Frequenz von 2,4 Gigaherz gefunkt. Viele Systeme arbeiten aber auch mit weniger. Die Kommunikation ist generell sehr energieaufwändig. Darum gibt es Forschung zu optischer Kommunikation. Sie basiert auf der Reflexion von Licht mit Hilfe von eingebauten, drehbaren Spiegeln. Das ist aber ein absoluter Sonderling auf dem Gebiet.
sg: Woher bezieht Smart Dust seine Energie?
G: Die Sensorknoten sind batteriebetrieben. Tatsächlich ist der Stromverbrauch der Sensoren relativ hoch. Das Problem lösen wir, indem die Sensoren die meiste Zeit über nicht angeschaltet, also quasi im Stand-by-Modus sind. Zu bestimmten Zeiten wachen sie auf und sammeln Informationen, dann schlafen sie wieder.
sg: In diesem Zusammenhang fällt oft das Stichwort „energy harvesting“. Was bedeutet das genau?
G: Hier werden neue Wege der Energieversorgung gesucht, die Sensoren sollen ihre Energie selbst „ernten“ (to harvest ist das englische Wort für ernten, Anm.d.Red.). Zum Beispiel sollen auf den Sensoren Solarzellen installiert werden. Das ist allerdings wenig sinnvoll, da Solarzellen nur effizient sind, wenn sie eine bestimmte Fläche einnehmen. Möglich hingegen wären Thermogeneratoren. Hier gewinnen die Sensoren Energie durch Temperaturunterschiede in ihrer Umgebung. Momentan sind Batterien allerdings das Beste auf dem Markt.
sg: Um die einzelnen Komponenten der Sensoren platzsparend zu montieren, nutzt man doch am Fraunhofer Institut die Flip Chip Technik. Würden Sie diese bitte kurz erläutern?
G: Gerne. Dieselbe Technik verwendet man auch bei modernen Handys. Die Einzelteile werden nicht mehr nebeneinander montiert und mit Drähten verbunden, sondern übereinander. Zwischen die Einzelteile lötet man Leiterplatten aus Silizium. Man kann sich das genau so vorstellen wie im Computer. Der User kauft sich einen Prozessor und montiert diesen auf dem Motherboard. Der eigentliche Prozessor ist um ein Vielfaches kleiner als das, was wir im Laden kaufen. Er wird nur von einer Plastikhülle geschützt. Beim Smart Dust fällt einfach die Plastikhülle weg und die Teile werden direkt auf Leiterplatten gelötet.
sg: Wann, glauben Sie, wird Smart Dust einsatzbereit sein?
G: Wenn alles gut läuft, in zwei bis drei Jahren. Was wir noch erreichen wollen, ist die Lokalisierung der Sensoren. Das heißt: Wir wollen Smart Dust beliebig ausstreuen und danach erst orten können. Heute kann man das zwar auch schon tun. Aber mit GPS kann man nur bis auf einen Meter genau erkennen, wo sie sich befinden. Deshalb muss der genaue Einsatzort noch im Voraus festgelegt und den einzelnen Sensoren zugewiesen werden. Das macht Smart Dust unflexibel. Sensorinformation verbunden mit präziser Ortsinformation würde einen großen Mehrwert für die Nutzer darstellen.
sg: … weil der Nutzer sich dann nicht mehr darum kümmern muss, wo seine Sensoren sind?
G: Genau. Sie wissen selbst, wo sie sind, und werden dadurch noch autonomer.
sg: Herr Guttowski, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Datenschutzrisiken der Smart Dust-Technologie
Ein Audiointerview mit Lars Fischer vom Chaos Computer Club e.V. zur Frage welche Risiken die Datenerfassung und -speicherung durch Smart Dust mit sich bringen.
Zur Person
Claudia Bäumler und Sabrina Müller sind beide 23 Jahre alt und studieren im vierten Semester Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt.