Mit Bakterien gegen den Klimawandel
Elektro-Autos, Organische Photovoltaik, Carbon Capture & Storage – oft ist angeblich Hightech notwendig, um unser Klima zu schützen. Für einige von Menschen verursachte Probleme hält die Natur aber bereits Lösungen bereit.
Einundzwanzigmal klimagefährdender als CO2
Methan kann nur Infrarot-Strahlung von ganz bestimmter Wellenlänge aufnehmen. Und zwar genau von der Wellenlänge, die CO2 nicht aufnehmen kann.
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Ein gutes Beispiel dafür ist der Methanabbau durch Bakterien. Methan ist ein farb- und geruchloses Gas. Für den Menschen ist es ungiftig, aber es ist nach Kohlenstoffdioxid das stärkste Treibhausgas. Eine der Hauptquellen für Methan sind Mülldeponien, auf denen weltweit jedes Jahr etwa 50 Millionen Tonnen Methan entstehen. Dieses Methan könnte durch Bakterien abgebaut werden. Forscher versuchen nun, nur mit Sand, Kies und Erde auf Mülldeponien die idealen Lebensbedingungen für die Bakterien zu schaffen. Nur dann können die Mikroorganismen effektiv arbeiten und das Methan abbauen, bevor es aus dem Müll ausströmt.
Bakterien schützen das Klima
In der Familie der methylotrophen Bakterien gewinnen alle Arten ihre Energie, indem sie Methan abbauen. Diesen Mechanismus machen sich Forscher der Technischen Universität Darmstadt, der Universität Hamburg, der Technischen Universität Hamburg-Harburg und der Ingenieurgesellschaft Melchior und Wittpohl zu Nutze. Im Verbundvorhaben „MiMethox – Mikrobielle Methanoxidation in Deponieabdeckschichten“ entwickeln sie seit 2007 Abdeckschichten für Mülldeponien. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
„Die Natur sucht sich ihren Weg selbst“, sagt Sonja Bohn, Mitarbeiterin der Technischen Universität Darmstadt und Forscherin im MiMethox-Projekt. „Der Methanabbau ist ein völlig natürlicher Prozess. Wir müssen ihn nur optimieren.“ Die methanabbauenden Bakterien kommen überall in der Natur vor, wo ausreichend Sauerstoff und Methan vorhanden ist. Die Abdeckschicht, die jede Mülldeponie abschließt, muss demnach genug Sauerstoff einlassen, gleichzeitig aber so dicht sein, dass Methan nicht austritt.
Sand, Kies und Erde anstatt Hightech
Das Forscherteam verwendet dafür nur sehr einfache Mittel: Auf ihrem Testfeld haben sie über dem Müll eine Schicht aus Kies, dann eine Sandschicht und dann verschiedene Bodensorten und Kompost angelegt. Dieses System erfüllt gleichzeitig mehrere Aufgaben.
Methan – ein hochexplosives Gas
Falsche Deponieabdeckungen gefährden nicht nur das Klima. In Skellingsted, Schweden, verursachte Methan aus einer Mülldeponie 1991 die Explosion eines Hauses.
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So fungiert es als Kapillarsperrensystem. „Kapillarsperrensystem klingt aufwendig – ist es aber gar nicht“, verrät Sonja Bohn. „Der Trick ist, dass eine Schicht von feinkörnigem Material, also Sand, über einer Schicht von grobkörnigem Material wie Kies, liegt.“ Im feinkörnigen Material, wo der Regen einsickert, sind die Poren wesentlich kleiner als im grobkörnigen. „Dort, wo eine wassergefüllte kleine Pore auf eine noch trockene große Pore trifft, wird das Wasser durch die Adhäsionskraft zurückgehalten“, erklärt Sonja Bohn. Denn die Anziehungskräfte zwischen dem Wasser und dem Sand sind in der kleinen Pore größer, so dass es nicht weiter nach unten fließt. Mit dem Kapillarsperrensystem verhindern die Forscher, dass zu viel Regen in den Müll eindringt. Das ist wichtig, denn ist der Abfall zu feucht, sind die Poren verschlossen und es gelangt nicht genug Sauerstoff aus der Luft zu den methanotrophen Bakterien. Ohne Sauerstoff funktioniert ihr Stoffwechsel jedoch nicht. Aus 100 Gramm Methan können sie 4875 Kilojoule gewinnen – so viel Energie, wie in zwei Tafeln Schokolade steckt.
Die molekulare Sicht
Welche chemische Reaktion läuft in der Deckschicht ab?
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In Wasser werden aber gleichzeitig lebenswichtige Nährstoffe für die Bakterien gelöst und transportiert, deshalb darf der Müllberg auch nicht austrocknen. Damit das nicht geschieht, muss die Abdeckschicht dick genug sein. Ist das der Fall können die Bakterien tiefer wandern, wenn die Erde oben von der Sonne ausgetrocknet wird. In tieferen Schichten bleibt die Feuchtigkeit länger gespeichert. Auf dem Testfeld ist die gesamte Abdeckschicht 1,60 Meter dick. Ob das ausreicht, um ideale Feuchtebedingungen zu schaffen, müssen die Forscher erst noch durch Messungen überprüfen.
Kapillare Steighöhe
Kapillarität ist das Verhalten von Flüssigkeiten z. B. in engen Röhren.
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Die Kiesschicht ist aber nicht nur für den Kapillareffekt nötig, sondern auch zur Verteilung des Gases. Da der Müll ganz unterschiedlich zusammengesetzt ist, entsteht nicht überall gleich viel Methan. Das sehr leichte Gas steigt aus dem Müll in die Abdeckschicht auf. An einer porösen Stelle, an der viel Methan entsteht, würde das klimaschädliche Gas einfach ausströmen. Doch in der 50 Zentimeter dicken Kiesschicht auf dem Abfall verteilt sich das Gas von selbst gleichmäßig. Erst dann steigt es weiter nach oben, durch die Sandschicht und in die Rekultivierungsschicht. „Das ist die Erdschicht, die den ganzen Müll abdeckt und worin die methanverwertenden Bakterien leben“, erläutert Sonja Bohn. In ihrem Testfeld habe sie verschiedene Rekultivierungsschichten, erzählt sie weiter. Eine davon sei mit Kompost versetzt und enthielte daher alle Nährstoffe, die die Bakterien brauchen. Das Risiko bei Kompost sei aber, dass er natürlichen Abbauprozessen unterliege und die Abdeckschicht deshalb nicht auf lange Zeit stabil bleibe.
Konzept muss in der Praxis überzeugen
Emmissionszertifikate
Emissionszertifikate haben die Währung „Recht zur Emission von einer Tonne Kohlendioxid“.
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In den nächsten zwei Jahren werden die Forscher um Sonja Bohn weiter jede Woche auf dem Testfeld messen, wie viel Methan tief im Müll entsteht, den Abbau durch die Bakterien erfassen und überprüfen wie viel Gas trotz der Abdeckschicht noch entweicht. Erst danach werden sie und ihre Kollegen einen technischen Leitfaden herausgeben, in dem ihre Empfehlungen für Deponiebetreiber zusammengefasst sind. „Da eigentlich nur die Beschaffungskosten für die Erde, den Sand und den Kies anfallen, bewegen wir uns hier im Low-Cost-Bereich“, so Sonja Bohn. Das ist wichtig, denn Deponiebetreiber ziehen eine solche Umweltschutzmaßnahme nur in Betracht, wenn es sich für sie lohnt. Die Umrüstung darf nicht viel kosten und muss den Methanausstoß nachweislich reduzieren. Nur so können sie Emissionszertifikate einsparen.
Vor allem auf den etwa 500 Altdeponien in Deutschland, auf denen Müll schon 15 Jahre oder länger lagert, wären diese Maßnahmen wichtig. Hier entsteht zu wenig Methan, um es mit Rohren und riesigen Ventilatoren aus den Müllbergen zu saugen und dann unter Energieerzeugung zu verbrennen. Trotzdem sind diese Deponien die größte Methanquelle in Deutschland. Und dabei reicht eine gut durchdachte Schicht aus Sand, Kies und Erde, um den methanabbauenden Bakterien einen idealen Lebensraum zu schaffen – und damit das Klima zu schützen.
Links zum Thema
- Webseite des Projekts MiMethox
Zur Person
Lena Weitz ist Wissenschaftsjournlismus-Studentin an der Hochschule Darmstadt.