Schweinegrippe oder Scheingrippe? Ein Rückblick
Erinnern Sie sich noch an die Schweingrippe? An jene Viruserkrankung, die die Medien im vergangenen Jahr fest im Griff hatte und Menschen von Berlin über New York bis Tokio beunruhigte? Das Wort „Schweinegrippe“ war täglich überall zu hören oder zu lesen. Genauso wie es jetzt sang- und klanglos wieder verschwunden ist.
Freilich war es nicht die erste Hysterie um ein Virus, die ebenso schnell kam wie sie ging. Schon in den vergangenen Jahren wurde die Menschheit mit ähnlichen Krankheiten auf vergleichbare Weise konfrontiert. So wurden etwa für das Jahr 2003 tausende Tote prophezeit, die an der Viruserkrankung SARS sterben sollten. Zwei Jahre darauf war es die Vogelgrippe. Doch die gefürchtete Pandemie blieb aus, so erfolgreich die Massenmedien die Menschen verunsicherten und weltweit in Angst versetzten.
Gesteuerte Panik?
Hilfe gegen Schweinegrippe
Von Händewaschen, Knoblauch und Niesen in den Ärmel.
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Ähnlich verhielt es sich mit dem Medienrummel rund um die Schweinegrippe: Nach Bekanntgabe von Krankheitsfällen durch ein „neuartiges Grippevirus“‘ am 24. April 2009 in Mexiko-Stadt, geriet das dortige normale Leben von einem Tag auf den anderen aus den Fugen. Schwimmbäder, Theater, Museen, Schulen, Clubs wurden geschlossen; das öffentliche Leben kam zum Erliegen, bis Mexiko für kurze Zeit einer Geisterstadt ähnelte. Als sich die Menschen daraufhin wieder auf die Straßen trauten, taten sie dies nicht ohne Mundschutz, während an allen Ecken Soldaten patroullierten, um misstrauisch nach Personen mit auffälligen Grippesymptomen Ausschau zu halten.
Und ehe man es sich versah wurden in der ganzen Welt drastische Maßnahmen ergriffen. Die übereilten Aktionen vermittelten den Eindruck, dass eine Pandemie kurz bevorstünde: In Ägypten ließ die Regierung Millionen von Schweinen vorsorglich schlachten; Schweinefleischexporte wurden gestoppt; Japan installierte Fiebersensoren an Flughäfen. In Europa wurden aus Mexiko eintreffende Flüge überwacht. Passagiere durften die Flugzeuge erst verlassen, wenn keiner von ihnen Symptome einer Grippe aufwies. Das Virus schien die Welt in Atem zu halten.
Im amerikanischen Atlanta untersuchten Forscher des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) fieberhaft das neue Virus und konnten schon bald sein Erbgut entschlüsseln. Dabei stießen sie auf ein unerwartetes Resultat: Das Virus ähnelte nicht den herkömmlichen Grippeviren, sondern wies einige, zuvor nie aufgetretene, Merkmale auf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagierte daraufhin mit großer Besorgnis und erklärte, die Grippe habe „das Potenzial für eine Pandemie“, also für eine die Kontinente übergreifende Ausbreitung. „Wir sind sehr, sehr besorgt“, sagte WHO-Sprecher Thomas Abraham. „Wir haben es mit einem neuen Virus zu tun, und es verbreitet sich von Mensch zu Mensch.“
Schon witterten die Medien Gefahr für die Weltbevölkerung. Oder etwa ein lukratives Geschäft? Zumindest wurde ab diesem Zeitpunkt die Verbreitung des „neuen Virus“‘ von sämtlichen Zeitungen, Zeitschriften und den Fernsehsendern minutiös verfolgt und dokumentiert. Titel wie „Panik im Puff – 50% weniger Freier wegen Schweinegrippe!“, „Kuss-Verbot im Landtag“ oder „Schon 4 Stars in Quarantäne!“ kursierten durch das Boulevard. Doch auch seriösere Zeitungen waren in den Bann der Schweinegrippe gezogen und berichteten täglich von neuen Opfern. „Die unfassbare Gefahr“ titelte die „Süddeutsche Zeitung“, in der unter anderem von einer „tödlichen Bedrohung“ die Rede war. „USA befürchten bis zu 90.000 Schweinegrippe-Tote“ wusste der „Focus“ zu berichten. Angeheizt durch solche Horrornachrichten schnellte die Nachfrage nach Tamiflu, dem angeblichen Grippe-Wundermittel, in nie gekannte Höhen.
Verwirrende Todeszahlen
Doch war die Aufregung tatsächlich begründet? Betrachtet man die Zahlen der Schweinegrippetoten genauer, so stößt man auf einige Unstimmigkeiten. Am 27. April meldete Mexiko 149 Tote, eine Zahl, die die Medien den Menschen rasch eingebläut hatten. Doch bereits während einer Pressekonferenz Ende April 2009 musste die WHO diese Zahl drastisch nach unten korrigieren: Eine Überprüfung in kanadischen Labors hatte nämlich ergeben, dass gerade einmal 7 Tote auf den Schweinegrippe-Erreger, die restlichen 142 wahrscheinlich auf die herkömmliche Grippe sowie auf die normale Todesrate in Mexiko zurückzuführen waren. Gerade einmal sieben Grippetote reichten also aus, eine weltweite Angst vor dem neuen Virus zu schüren. Man bedenke: In Mexiko leben 110 Millionen Einwohner, 8,8 Millionen von ihnen allein in der Hauptstadt.
Das Geschäft mit der Angst
Auch danach verlief die Grippe mit weit weniger Todesopfern als man bei einer Pandemie vermuten würde. Bis Juni starben weltweit etwa 130 Menschen an Schweinegrippe, nur ein einziger Todesfall war in Europa zu beklagen. Trotzdem rief die WHO am 11. Juni 2009 die höchste Pandemie-Warnstufe 6 aus, die dann eintritt, wenn ein Virus in der gesamten Weltbevölkerung von Mensch zu Mensch übertragen wird. Eine derartige Panikmache hatte die WHO allerdings erst im Mai selbst ermöglicht, indem sie die Kriterien für eine Pandemie stillschweigend umdefiniert hatte. Nach der neuen Definition lag nun eine Pandemie bereits dann vor, wenn sich eine Erkrankung schnell ausbreitet und mit einem neuen Virustyp verbunden ist, gegen den die Menschheit nicht immun ist. Das wichtige Kriterium, dass diese Krankheit auch mit einer hohen Sterblichkeitsrate einhergehen muss, wurde von der WHO ersatzlos gestrichen. Eine relativ milde Grippe wurde so zu einer weltweiten Pandemie. Haben Pharmafirmen regelrecht auf diese Neudefiniton gewartet? Denn es ist bekannt, dass im Rahmen von public-private partnerships Verträge zwischen den Regierungen und Pharmakonzernen bestehen, die den Pharmafirmen zu Milliardengewinnen verhelfen. Die Ausrufung der höchsten Pandemiestufe durch die WHO hat somit die Verträge in Kraft gesetzt: die Impfkampagne konnte gestartet werden.
Tamiflu – die Wunderwaffe gegen Schweinegrippe?
Mit der Angst lassen sich bekanntlich gute Geschäfte machen. Und so war die angeschürte Hysterie ein wahrer Segen für die Pharmakonzerne: Dank der Schweinegrippe und der damit verbundenen großen Nachfrage an Impfstoffen und Medikamenten klingelten bei ihnen schnell die Kassen. In erster Linie profitierte der Pharmakonzern Roche, der Hersteller von Tamiflu, an der großen Schweinegrippeangst. Bereits drei Tage nach dem offiziellen Ausbruch des Virus‘ in Mexiko erteilte die amerikanische Aufsichtsbehörde für Arzneimittelzulassung, die Food and Drug Administration (FDA), eine Schnellzulassung des Grippemedikaments Tamiflu, die es erlaubt, selbst Kinder unter einem Jahr zu behandeln, obwohl sogar im Beipackzettel ausdrücklich davor gewarnt wird. Zu dem Zeitpunkt war dieses Produkt medizinisch noch nicht einmal abgeklärt: Risiken wurden bei der Zulassung offenbar bewusst verharmlost und in Kauf genommen.
Wissenschaftler um den Medizinstatistiker Tom Jefferson von der Cochrane Collaboration (CC), einem internationalen renommierten Netzwerk unabhängiger Wissenschaftler und Ärzte, haben ihm Zuge von Therapieauswertungen die Rohdaten von 20 verschiedenen Tamiflu-Studien überprüft. Sie kamen zu dem erstaunlichen Schluss, dass es keine klaren wissenschaftlichen Beweise gebe, dass das Mittel schwere Grippe-Komplikationen wie eine Lungenentzündung verhindern kann.
Tamiflu ist im Hinblick auf Wirkung und Nutzen auch aus anderen Gründen ein höchst umstrittenes Medikament: Nimmt man es innerhalb der ersten 48 Stunden nach Auftreten der Symptome, verkürzt es bei Erfolg die Krankheit um etwa einen Tag. Dagegen können die unerwünschten und teils sehr heftigen Nebenwirkungen erheblich sein: Neben Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen können auch Verwirrtheit und sogar selbstverletzendes Verhalten vor allem bei Kindern auftreten. In Japan wurde bereits 2005 Tamiflu für Kinder und Jugendliche verboten, weil es zu unerklärlichen Selbstmorden gekommen war. Auch in Europa muss seit 2007 im Beipackzettel unter anderem auf Halluzinationen, Krampfanfälle und anormales Verhalten als mögliche Nebenwirkungen hingewiesen werden.
Große Massenstudie mit Pandemrix
Die Ende Oktober 2009 begonnene Massenimpfung gegen die Schweinegrippe, auf die die Menschen monatelang vorbereitet wurden, ist ein anderes schwerwiegendes Kapitel. Auch hier scheint einiges im Argen zu liegen: Auf der fieberhaften Suche nach einem Heilmittel wurden Impfstoffe im Eilverfahren entwickelt und zugelassen. Insgesamt wurden drei Mittel hergestellt, unter anderem das in Deutschland zugelassene Pandemrix der Firma GlaxoSmithKline (GSK). Ermöglicht wurde die Impfstoffentwicklung durch die bereits genannte Verwässerung der Pandemie-Kriterien durch die WHO: Denn ohne Pandemiestufe 6 keine Pandemie-Musterimpfstoffzulassung, ohne Impfstoffzulassung keine Impfstoffproduktion und damit auch keine Milliardenumsätze für die Pharmaindustrie.
Weltweit kamen verschiedene Wirkstoffe zum Einsatz, wobei Pandemrix zusätzlich noch einen Wirkverstärker enthält, der übrigens nur in Europa zugelassen ist und die Immunreaktion im menschlichen Körper ankurbeln soll, um so für einen rascheren Schutz zu sorgen. Doch es gibt weder umfangreiche klinische Daten noch Erfahrungen mit dem Pandemie-Impfstoff. Zum Nachteil der Geimpften: Schon kurz nach den ersten Impfungen traten erste Todesopfer auf; darunter Kinder, die an chronischen Krankheiten litten. Das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel versicherte jedoch, dass es bei keinem der Todesfälle einen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Impfstoff gebe. Ein junger Mann entging nur knapp dem Tod. Minuten nach der Impfung erlitt er einen anaphylaktischen Schock, eine der stärksten allergischen Reaktionen, bei denen es zu Symptomen wie verengten Luftwegen, Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall und beschleunigtem Herzschlag kommt. Wenn hier nicht innerhalb von Sekunden reagiert wird, stirbt der Patient durch Versagen des Herz-Kreislauf-Systems.
Vielleicht sind die Nebenwirkungen der Impfung sogar gefährlicher als die Symptome der Schweinegrippe. Schon in den 70er Jahren grassierte die „asiatische Schweinegrippe“ in den USA. Es wurden ähnliche Impfaktionen gestartet, die das eigentliche Problem waren. Es folgten unerklärliche Nervenlähmungen bis hin zu vollständiger Paralyse. Hunderte von Menschen starben.
Dass es bei der Massenimpfung gegen die Schweinegrippe offenbar nicht mit rechten Dingen zuging, wird ebenfalls in einer „Pandemic (H1N1) 2009 briefing note 2“ der WHO deutlich. Darin wird hervorgehoben, dass Impfstoffe mithilfe neuer Technologien produziert und nicht ausreichend auf ihre Sicherheit in Bezug auf die Auswirkung auf bestimmte Bevölkerungsgruppen hin untersucht wurden. Deshalb sei nach der Impfstoff-Vermarktung eine Überwachung „höchst möglicher Qualität“ sehr wichtig.
Der Bremer Pharmakologe Professor Peter Schönhöfer, der seit Jahren die Nebenwirkungen von Arzneimitteln erforscht, warnt vor derartigen risikobehafteten Massenimpfungen, wie sie von der WHO gegen die Schweinegrippe eingeleitet wurden. Schon bei der Herstellung des Impfstoffs gegen Gebärmutterhalskrebs habe man „gelernt, dass man mit einer Impfkampagne viel Geld verdienen kann, wenn man eine geeignete Medienkampagne los tritt". Auch im Fall der Schweinegrippe scheint es also mehr um das große Geschäft als um das Wohl der Bevölkerung gegangen sein.
Doch noch einmal Schwein gehabt?
Seit Neujahr 2010 scheint das Wort „Schweinegrippe“ wie aus dem Wortschatz verschwunden. Laut dem Robert-Koch-Institut starben in Deutschland seit Ausbruch der Grippe 239 Menschen (Stand: 23. Februar 2010). Das erscheint höchstens dem Laien als viel. Aber die Schreckensmeldungen stehen damit in keinem Verhältnis zur Wirklichkeit, denn die neue Influenza-Variante forderte bis heute nicht annähernd so viele Todesopfer wie die ganz normale Wintergrippe, durch die alleine in Deutschland bis zu 10.000 Menschen pro Jahr sterben, die aber unerwähnt bleiben. Auch die von der WHO geäußerte Befürchtung, dass das Virus in den kalten Wintermonaten zu einem noch gefährlicheren mutieren würde, bestätigte sich nicht. Fest steht jedoch, dass das Schweinegrippevirus eine gewöhnliche Grippe verursacht, die viel harmloser als eine „normale“ verlaufen ist.
Links zum Thema
- FDA Authorizes Emergency Use of Influenza Medicines, Diagnostic Test in Response to Swine Flu Outbreak in Humans
- Pandemic (H1N1) 2009 briefing note 2
- Zweifel an Daten zu Tamiflu
- Wissenschaftler um Tom Jefferson bezweifeln Wirksamkeit von Tamiflu