„So viel von Intimität, Intimbeziehungen und Ähnlichem gesprochen wird: Es gibt keinen theoretisch hinreichenden Begriff dafür. Am ehesten wird man das, was gemeint ist, als hohe zwischenmenschliche Interpenetration auffassen können. Das heißt: Personen senken im Verhältnis zueinander die Relevanzschwelle mit der Folge, dass das, was für den einen relevant ist, fast immer auch für den anderen relevant ist. Entsprechend werden kommunikative Beziehungen verdichtet. Achtet man auf die Typik der Selektionsübernahme (…), dann lässt sich Intimität dadurch charakterisieren, dass schon das (selektive) Erleben und nicht nur das Handeln des einen Partners für den anderen handlungsrelevant wird. Topoi der französischen Klassik hierfür waren: Es gibt keine Bagatellen in der Liebe; Betonung der Pflichterfüllung ist mit Liebe unvereinbar; man muss nicht nur alles tun, was verlangt wird, man muss zuvorkommen. Der deutsche Idealismus hätte gesagt: sich das Weltverhältnis des anderen zu eigen machen, das heißt: mitgenießen. Auch der hohe Grad an Verbalisierung der Liebesverhältnisse belegt diese These. Liebende können unermüdlich miteinander reden, weil alles Erlebte mitteilenswert ist und kommunikative Resonanz findet.“ (S. 200).