Dezember 2001

Candy canes und Eggnog

Skyline von TorontoEin Jahr im Ausland ist eine großartige Gelegenheit, ein fremdes Land oder sogar eine fremde Kultur kennen zu lernen. Als sentimental angehauchte Deutsche mit einem Faible für besinnliche, romantisch-kitschige Weihnachten war mir dennoch etwas bange - wie würde es sein, Weihnachten in Kanada zu feiern? Erlebnisse und Erfahrungen über Weihnachten in Toronto.

Wie auch in Deutschland beginnt in Kanada die Weihnachtszeit nicht erst im Dezember. Das erste wirkliche Zeichen der bald kommenden Adventszeit ist die Christmas Parade an einem Wochenende vor dem ersten Advent. Eine Kombination aus Rosenmontagsumzug und Militärparade, gestaltet von traditionellen und modernen Figuren aus Märchen und TV. Große bunte Motivwagen wechseln sich ab mit Marching Bands in Phantasieuniformen aus ganz Nordamerika.

Die Auswahl der Musik ist gewaltig, die Qualität durchwachsen. Stille Nacht heilige Nacht gespielt als Marschmusik ist für deutsche Ohren gewöhnungsbedürftig. Nach mehr als zwei Stunden bunter und wechselnder Bilder kommt als Höhepunkt und Abschluss der Parade ganz traditionell Santa Claus persönlich mit seinen Rentieren und Elfen. Letztere werden von bangen Blicken verfolgt, wenn sie aus Kinderhänden lange Wunschzettel entgegennehmen.

Die Elfen, so weiß man, leiten die Post persönlich an den Weihnachtsmann weiter. Gleiches gilt auch für die vielen Mitarbeiter der kanadischen Post, die den Zug begleiten und ebenfalls fleißig Wunschzettel sammeln. Es ist unglaublich, wie die gleichen Wirbelwinde, die eben noch beim Anblick eines überdimensionalen Pokemons vor Begeisterung nicht zu beruhigen waren, sich im nächsten Augenblick aus (Ehr)furcht vor dem Weihnachtsmann sich kaum zu rühren wagen.

Christmas ParadeDie Stimmung der Christmas Parade ist beispielhaft für den Umgang der Kanadier mit Weihnachten. Alles ist bunt und unbeschwert. Die Häuser und Vorgärten werden mit viel Liebe und Licht geschmückt. Bummelt man durch die erleuchteten Straßen, so grüßen Bambi, Santa Claus und Co über den Zaun. Wie auch sonst im täglichen Leben spielt auch hier Konkurrenz eine Rolle. Ganze Straßenzüge treten miteinander in den Wettbewerb um die schönere, hellere und buntere Häuserzeile. In den Abendstunden der Wochenenden lockt solch ein Schauspiel Schaulustige von weit her. Auto an Auto steht dann geduldig im Stau, um sich an besonders gelungenen Dekorationen vorbeischieben zu können.

Auch in den Wohnungen und Häusern wird viel dekoriert. Der Weihnachtsbaum wird nicht wie in Deutschland erst zum heiligen Abend aufgestellt. Häufig geschieht dies schon früher. Geschmückt wird der (künstliche) Baum mit bunten Figuren und Ketten, bunten Lichtern und Candy canes. Candy canes sind Zuckerstangen, die wie Spazierstöcke geformt werden und vor allem eins sind - süß.

Wie es zu diesem Brauch gekommen ist, konnte mir leider niemand erklären. Dass man den Baum unter all dem Schmuck nicht mehr sehen kann, wird in Kauf genommen. Obwohl Kanada sicherlich über genug Nadelwald verfügt, gibt es nicht nur Weihnachtsbäume, sondern auch Girlanden oder Zweige aus Plastik. Den Baumgeruch gibt es auf Wunsch aus der Sprühflasche dazu.

Kulinarisch is(s)t man in Kanada traditionell. Das typische Essen für den ersten Feiertag ist Truthahn. Die Füllung des Vogels ist häufig ein Familienrezept und mindestens ebenso wichtig wie der Braten selbst. Grundbestandteil ist meistens Weißbrot, dass mit Gemüse, Innereien und Gewürzen vermischt wird. Dabei spielt Salbei eine bedeutende Rolle - ein interessanter Unterschied zu Deutschland.

Das Getränkt zu den Feiertagen ist Eggnog. Ursprünglich aus Großbritannien ist es eine Mischung aus rohen Eiern, Sahne, Gewürzen und einem Schuss Alkohol. Der gekaufte Eggnog ist neben der Grundversion auch mit verschiedensten anderen Aromen erhältlich. Gesundheitsbewusste Varianten ohne Alkohol, ohne Fett, ohne Eier oder ohne Cholesterin sind ebenfalls im Angebot und treffen auf besonderes Interesse.

An "meiner" Uni spielte Weihnachten keine besondere Rolle. Zwar gab es am Department eine Weihnachtsfeier. In Anbetracht der Tatsache, dass die Mehrzahl der Studenten chinesischer Herkunft waren und keine besondere Beziehung zum christlichen Weihnachtsfest hatten, handelte es sich aber eher um ein gemütliches Beisammensein. In den Firmen ist dies durchaus anders. Zur alljährlichen Weihnachtsfeier zeigen die großen Büros aus Downtown Toronto das man sich etwas leisten kann. Für die Mitarbeiter handelt es sich dabei sicher um das bedeutendste Ereignis des Jahres, was durch die Wahl von Kleidung und Accessoires noch unterstrichen wird. Sehen und gesehen werden ist vielleicht noch wichtiger als sonst.

Insgesamt ist das kanadische Weihnachten sicherlich sehr amerikanisch. Trotzdem haben sich hier und da europäisch anmutende Traditionen erhalten. Torontos bekannteste Chorschule veranstaltet jedes Jahr zur Weihnachtszeit ein großes Konzert, an dem alle Schüler vom kindlichen Sopran zum erwachsenem Bass teilnehmen. Wie man an die Karten kommt ist ein gut gehütetes Geheimnis, von dem nur wenige wissen. Trotzdem ist die Veranstaltung innerhalb von Stunden ausverkauft. Andächtig lauschen die glücklichen mit Eintrittskarte, wenn Weihnachtslieder aus Amerika, Europa oder Afrika zur Aufführung kommen - die leuchtenden Augen der Sänger, die erwartungsvolle Vorfreude der Zuhörer, der würdige Rahmen von Torontos ältestem Konzertsaal zaubern eine festliche Stimmung.

Ein weiterer sehr schöner Brauch ist der Besuch des Balletts "Der Nussknacker". Wohl jede Ballettgruppe, ob nun professionell oder als Laiengruppe, hat das Stück in Programm und bringt es in den Wochen vor und um Weihnachten zur Aufführung. Für viele Familien ist es eine der wichtigsten Traditionen überhaupt, jedes Jahr wieder ins Theater zu gehen. Ich hatte das Glück, mir eine Veranstaltung des National Ballett of Canada anschauen zu können. Es war wunderschön und sehr beeindruckend.

Weihnachten in Toronto war ein tolles Erlebnis. Ich habe viel neues kennen gelernt, aber auch Vertrautes gab es zu entdecken. Am Heiligen Abend selbst habe ich das Apartment von Freunden gehütet. Zwar hatte ich keinen Weihnachtsbaum und auch keinen Weihnachtsbraten, aber einen wunderschöne weihnachtlichen Ausblick. Aus den Fenstern einer Wohnung im 16.Stock lag mir ein erleuchtetes Toronto zu Füßen, dass mit den Sternen am Himmel um die Wette funkelte. Ein unvergessliches Fest....

Beitrag von Birgit Milius
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