Juni 2002

Graffiti - Mehr als bloß Spraydosen ...

GraffitiGraffiti gilt als ein typisches Ausdrucksmittel der heutigen Jugend-Kultur. Die Website des Wiener Instituts für Graffiti-Forschung zeigt jedoch, dass Graffiti aber ein wesentlich älteres Phänomen ist.

Wie so oft, unterscheidet sich auch beim Phänomen Graffiti die wissenschaftliche Sichtweise deutlich von dem im Alltag verwendetem Begriff:

"Graffiti ist heute ein Oberbegriff für viele thematisch und gestalterisch unterschiedliche Erscheinungsformen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass es sich um visuell wahrnehmbare Elemente handelt, welche ungefragt und meist anonym, von Einzelpersonen oder Gruppen auf fremden oder in öffentlicher Verwaltung befindlichen Oberflächen angebracht werden." (Quelle: http://graffiti.netbase.org)

Mit dieser Definition grenzt Norbert Siegl vom Wiener Institut für Graffiti-Forschung "Graffiti" von offiziell ausgeführten Auftragsarbeiten und künstlerischen Produktionen ab. Kriterium ist demnach nicht eine spezielle Maltechnik, sondern dass eine Darstellung oder Botschaft "ungefragt" auf fremde Flächen gesetzt wird.

Die heute verbreitete Form des "American Graffiti", die vor allem mit Spraydosen auf Gebäudewänden angebracht wird, ist lediglich eine Spielart des Phänomens. Unter anderem können auch Inschriften in öffentlichen Toiletten, Äußerungen von Gefangenen auf Zellenwänden oder in Bäume eingeritzte Liebesschwüre als Graffiti bezeichnet werden. Erste Beispiele lassen sich dabei mindestens bis in die Antike zurückverfolgen.

Website des Instituts für Graffiti-ForschungWer sich eingehend mit dem Thema beschäftigen möchte, findet auf der Website des Instituts (http://graffiti.netbase.org) eine breites Spektrum an Informationen. Es gibt wissenschaftliche Beiträge über die Geschichte und die verschiedenen Erscheinungsformen von Graffiti. Ebenso wird auf das Wiener Graffiti-Archiv® verwiesen, dass seit 1978 als Dokumentationszentrum eine große Sammlung an Transkriptionen, Fotos und Literatur bereitstellt. Die Rubrik "HipHop-Gallery" widmet sich aktuellen Formen des Graffiti und Vorgängen in der "Szene".


E-Mail-Interview mit Mag. Susanne Schaefer-Wiery
vom Institut für Graffiti-Forschung

sg: Welche insbesondere wissenschaftlichen Ziele verfolgt das Institut für Graffiti-Forschung?

SSW: Unser Forschungsobjekt sind alle Facetten der Kommunikationsform Graffiti. Da die herkömmlichen Wissenschaftsdisziplinen immer nur Teilaspekte behandeln können, wurde das ifg, als multidisziplinär orientierte Forschungseinrichtung, gegründet.

sg: Was unterscheidet das Institut von Universitäten, die sich mit dem Thema Graffiti befassen und wie finanziert es sich?

SSW: Das Institut für Graffiti-Forschung ist ein eingetragener wissenschaftlicher Verein, also eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung, an der hochrangige europäische Wissenschaftler verschiedener traditioneller Disziplinen beteiligt sind. Insofern ist das auch nicht mit universitären Einrichtungen - wo meist eindimensional gearbeitet wird - vergleichbar. Die Finanzierung erfolgt durch private und öffentliche Auftraggeber und Sponsoren und nicht zuletzt durch viele unbezahlte Eigenleistungen der Mitglieder.

sg: Auf der Website wird die provokante These vertreten, dass Graffiti die "älteste Kommunikationsform der Menschheit seien". Einige etablierte Wissenschaftler würden sicher dagegen protestieren. Welche Belege gibt es für die Aussage?

SSW: Wenn jemand mit der These "dass Graffiti die älteste (visuelle, mediengebundene) Kommunikationsform der Menschheit sind" Probleme hat, dann sollte er sich zuerst mit der klassischen Graffiti-Definition auseinandersetzen. Aus dieser ergibt sich völlig klar, dass die ersten Schriften und Zeichen der Menschheit ungefragt im öffentlich zugänglichen Raum entstanden sind. Dass also der öffentlich zugängliche Raum das erste Trägermaterial für visuelle Mitteilungen gewesen sein muss. Wir kennen keinen Wissenschaftler, der dies bestreiten würde.

sg: Graffiti werden häufig im Zusammenhang mit Sachbeschädigung thematisiert, wenn z. B. Straßenbahnen in nächtlichen Aktionen "dekoriert" werden. Führt das manchmal auch für das Institut zu Problemen? Gibt es z. B. Anfragen durch die Polizei zur Hilfestellung bei der Identifikation von Tätern?

SSW: Graffiti sind älter als der Eigentumsbegriff - mit der Reglementierung des öffentlichen Raumes und entsprechenden Gesetzen kam es aber dazu, dass Graffiti auch unter juristischen Aspekten betrachtet werden.Zu Problemen führt dies zuerst bei jenen Menschen, die bei illegalen Aktionen erwischt werden. Anfragen von Seiten der Polizei und von Gerichten gibt es immer wieder - wir können dabei nur auf die anthropologische Komponente der Kommunikationsform Graffiti verweisen und für ein Höchstmass an Toleranz eintreten.

sg: Welche Informationen bzw. Hilfestellungen können Studenten oder Doktoranden durch das Institut bekommen, die gerade eine Arbeit zum Thema Graffiti anfertigen. Können sich Interessenten direkt an das Institut wenden?

SSW: Mit dem Wiener Modell der Graffiti-Forschung wurde ein umfassendes hermeneutisches Modell zur Beschreibung von Graffiti erstellt. Gute Informationen dazu findet man auf der Website des Instituts für Graffiti-Forschung - http://graffiti.netbase.org. Wenn jemand weitergehend eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Graffiti anfertigen will, so steht ihm das ifg gerne mit Rat und Tat zur Verfügung (etwa bei Literaturrecherche und methodischen Problemen). Über den institutsinternen Fachverlag "graffiti edition" gibt es zudem die Möglichkeit zur Veröffentlichung interessanter Beiträge. Eine Diplomarbeits- bzw. Dissertationsbetreuung kann aber nur nach Absprache mit der jeweiligen Universität erfolgen. Für Kontaktaufnahme stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung ().

Beitrag von Bert Brückmann
Bildquellen (der Reihenfolge nach): Bert Brückmann

Links zum Thema

  • Wiener Institut für Graffiti-Forschung
  • Die Graffiti-Enzyklopädie
  • Art Crimes - The Writing on the Wall
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