Mai 2004

Blondinen bevorzugt

"Geburt der Venus" von BotticelliFrauen mit blonden Haaren hängt seit Jahrhunderten ein bestimmtes Image an: Sie gelten als sinnlich, verführerisch und erotisch, aber auch als rein, kindlich und naiv. Woher kommt dieses Klischee und was ist dran am Gerücht, dass blonde Menschen vom Aussterben bedroht sind?

„Die Blondinen sterben aus!“ Mit dieser Meldung schockten zahlreiche Boulevardmedien unlängst ihre Leserschaft. Die WHO habe in einer Studie berechnet, dass in 200 Jahren der letzte blonde Mensch geboren werde. Zwar stellte sich die Information als Falschmeldung heraus, aber dennoch war die Aufregung groß.

Doch woher kommt eigentlich die Faszination für blondes Haar – oder um es genauer zu sagen: für blondes Haar bei Frauen? Denn der Satz „Blonde Männer sterben aus“ würde viel weniger als Schlagzeile taugen. Warum ist blondes Haar bei Frauen so begehrt, nicht jedoch bei Männern?

Bereits im antiken Rom hatte man ein Faible für blond. Die römischen Frauen waren fasziniert vom Kupferblond ihrer gallischen und germanischen Sklavinnen, ließen sich aus deren Haaren kunstvolle Perücken anfertigen oder versuchten (mit mäßigem Erfolg), sich die Haare zu bleichen. In den darauffolgenden Jahrhunderten hatte die ideale weibliche Schönheit immer blond zu sein. Ein Streifzug durch die Kunstgeschichte zeigt es: immer wenn es einem Maler darauf ankam, eine Frau von perfekter Schönheit zu malen, malte er eine Frau mit langen, blonden Haaren – sei es die Liebesgöttin Venus, die Madonna, Eva oder irgendeine Nymphe oder Muse. Blond galt schon vor Jahrhunderten als das Ideal, selbst (oder gerade) in Kulturen, in denen die Menschen überwiegend dunkelhaarig waren.

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O wie hold und rein: Die Heilige Jungfrau Maria mit dem Jesuskind, umgeben von vier Engeln – selbstverständlich alle blond

So war es beispielsweise auch selbstverständlich, Maria, eine Frau aus dem Nahen Osten, die mit Sicherheit schwarzhaarig war, mit blonden Haaren darzustellen. Mit blondem Haar waren stets auch immer bestimmte Assoziationen verbunden: Reinheit, Unschuld, Jugend, aber auch Sinnlichkeit oder Erotik.

Als im 20. Jahrhundert Anfang der 30er Jahre die ersten allgemein käuflichen Haarfärbemittel auf den Markt kamen, wurde das Blondsein zu einem Massenphänomen. Die Filmindustrie schürte diesen Trend mit zahlreichen Filmen blonder Hauptdarstellerinnen oder sogar Filmen, die das Wort blond im Titel trugen. Der berühmteste davon ist „Blondinen bevorzugt“ mit der wohl berühmtesten Blondine, die von Natur aus eigentlich brünett war – Marilyn Monroe. Sie war es auch, die wie keine andere das heutige Stereotyp einer Blondine prägte: verführerisch, sinnlich, schwach, unterwürfig und naiv.

Dieses Stereotyp scheint fest in den Köpfen der Menschen verankert zu sein und wurde immer wieder in Experimenten zur sozialen Wahrnehmung bestätigt: Bittet man Versuchspersonen, anhand von Fotos unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale der abgebildeten Personen zu bewerten, tendieren sie dazu, Blondinen als schwächer, unterwürfiger und weniger gescheit zu beurteilen. Für die meisten Sozialpsychologen ist damit der Fall erledigt: Sie geben dem Phänomen einen wissenschaftlich klingenden Namen – nämlich „Stereotyp“ – und halten es damit für erklärt. Schließlich impliziert der Begriff „Stereotyp“ schon, dass alles nur ein Vorurteil sei, an dem selbstverständlich nichts dran sei. Die Antwort auf die grundsätzlich viel spannendere Frage, ob an einem Stereotyp vielleicht nicht auch ein Funken Wahrheit ist, bleibt der Stereotypforscher in aller Regel schuldig.

Eine Ausnahme ist der Psychologe Jerome Kagan, der in einer interessanten Studienreihe Temperamentsunterschiede zwischen Personen unterschiedlicher Haarfarbe feststellte. Er untersuchte Kinder mit hellem Pigment und fand heraus, dass v.a. Kinder mit blauen Augen und hellen Haaren weit mehr dazu neigen, schüchtern und gehemmt zu sein als Kinder mit dunklen Augen und dunklen Haaren. Sie neigen am ehesten dazu, in neuen Situationen furchtsam zu sein, beim Zugehen auf andere zu zögern und sich in Gegenwart einer unbekannten Person still zu verhalten, und sie tendieren am meisten dazu, in der Nähe der Mutter zu bleiben. Kinder mit braunen Augen und dunklen Haaren sind hingegen wagemutiger.

Kagan vermutet, dass es für diese Unterschiede eine genetische Ursache gibt. Seine These ist, dass blondes Haar, blaue Augen und Schüchternheit ein biologisches Gesamtpaket darstellen, das von denselben Genen gesteuert wird. Diese würden sowohl die Melaninproduktion (die für die Dunkelfärbung von Haut, Haaren und Iris verantwortlich ist) als auch die Kortikosteroidmenge im Körper steuern, die als Nebeneffekt für furchtsameres Temperament verantwortlich sei (vgl. Etcoff, 2001). Doch all dies ist natürlich nur eine Vermutung. Blondinen als „reine“, „unschuldige“ Wesen – nun, Kagans These vom „Gesamtpaket“ klingt jedenfalls einleuchtend. Doch die eigentliche Frage – nämlich die, weshalb Männer so sehr auf Blondinen ansprechen, bleibt damit immer noch unbeantwortet.

Ein wichtigerer Grund für die Attraktivität von Blondinen dürfte wohl sein, dass blondes Haar als Zeichen der Jugend gilt. Dies kommt nicht von ungefähr. Die meisten Blondschöpfe finden sich bei Kindern. Doch etwa 14 Prozent von ihnen dunkeln im Laufe der Zeit nach. Spätestens in der Pubertät kommt die Kurskorrektur in Richtung dunkel. Auch bei denen, die ihr blondes Haar behalten, wechselt meist die Farbe von einem helleren Blond in ein dunkleres.

Die Farbe Blond als Attribut von Jugend mag dafür verantwortlich sein, warum Blond ausgerechnet bei Frauen als attraktiv gilt, nicht jedoch bei Männern. Der Grund ist, dass Jugendlichkeit für die Attraktivitätsbewertung von Frauen eine wesentlich größere Rolle spielt als bei Männern. Nach einer allgemein akzeptierten Theorie der Attraktivitätsforschung bevorzugen Männer bei der Partnerwahl junge Frauen, weil diese mit größerer Wahrscheinlichkeit gesund sind und noch einer längere Phase der Fruchtbarkeit vor sich haben als ältere Frauen. In der Entwicklungsgeschichte des Menschen stellte diese Strategie für Männer einen Fortpflanzungsvorteil dar. Biologisch ausgedrückt: Die Vorliebe für jung aussehende Frauen wäre für Männer ein Faktor, der ihre „genetische Fitness” steigerte.

Kindchenschema

Das Kindchenschema

Diese Theorie hat Konsequenzen: Wenn Männer aufgrund ihrer Biologie Frauen bevorzugen, die jung aussehen, dann sollten auch zugleich solche Einzelmerkmale die Attraktivität von Frauen erhöhen, die sie jung wirken lassen. Und so ist es auch: In Attraktivitätsexperimenten werden solche Frauengesichter als besonders schön beurteilt, die Merkmale besitzen, die eigentlich Kennzeichen von Kindergesichtern (Kindchenschema) sind (vgl. www.beautycheck.de). Dieses Phänomen bezeichnet die Attraktivitätsforschung als „Neotenie“.

Vor diesem Hintergrund betrachtet, bekommt auf einmal die Vorliebe für blondes Haar bei Frauen einen biologischen Sinn: Da Blond eine Farbe ist, die am häufigsten in jungen Jahren auftritt, ist blondes Haar ein Zeichen von Jugendlichkeit – wenn auch ein eher schwaches. Es fällt damit in dieselbe Kategorie wie kindchenhafte Gesichtsproportionen oder eine straffe, faltenlose Haut. Umgekehrt sollten solche Merkmale des Haars besonders unattraktiv wirken, die typisch sind für höheres Alter, z.B. graue oder weiße Haare – und so ist es auch.

Damit liegt auch auf der Hand, warum blonde Haare bei Männern nicht attraktivitätssteigernd wirken. Im Gegensatz zu Frauen ist ihre Fortpflanzungsfähigkeit nicht an ein so relativ enges Zeitfenster gebunden. Zwar nimmt auch bei ihnen die Zeugungsfähigkeit mit zunehmendem Alter ab, jedoch können Männer auch in fortgeschrittenem Alter noch Vater werden. Deshalb werden äußerliche Zeichen des Alterns bei Männern als keine so großen Handicaps für ihre Attraktivität bewertet wie dieselben Merkmale bei Frauen. Es verwundert also nicht, dass blonde Haare den Männern keinen Attraktivitätsbonus bringen.

Eher im Gegenteil: Für die meisten Frauen sollte der Traummann – sofern die Haarfarbe überhaupt relevant ist – dunkelhaarig sein. Der Prototyp für einen attraktiven Mann ist eher der südländische, dunkelhaarige Typ. Die Frau blond – der Mann schwarzhaarig, ein schönes Paar. Diese Kombination findet man besonders häufig, wenn Klischees bedient werden, z.B. der Held und seine Geliebte im Film, das glückliche, attraktive Paar in der Werbung oder die Plastikfiguren von Braut und Bräutigam auf der Hochzeitstorte.

Blond sein heißt jung sein. Diese These könnte auch helfen, einige Stereotype der Zuschreibung von Charaktereigenschaften bei Blondinen zu erklären: Dass mit Blondinen Eigenschaften wie naiv, rein oder unschuldig in Verbindung gebracht werden, könnte daher kommen, dass Kindern dieselben Eigenschaften zugeordnet werden. Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang ist, dass Blondinen für glaubwürdiger gehalten werden als Personen anderer Haarfarbe. Aus diesem Grund sind auch besonders viele Nachrichtensprecherinnen im Fernsehen blond.

Die Assoziation „blond = kindlich“ wäre sogar eine Erklärung für das Vorurteil, Blondinen seien dümmer als Nicht-Blondinen, der Aufhänger für so zahlreiche Blondinen-Witze. Kindern fehlt es aufgrund ihres geringen Alters an Lebenserfahrung und Wissen über die Bedeutung und Zusammenhänge von Dingen.

Doch sind alle diese Stereotype über Blondinen tatsächlich nur auf ihre Haarfarbe zurückzuführen? An dieser Stelle wird es Zeit, sich klarzumachen, was wir eigentlich unter einer Blondine verstehen. Reichen blonde Haare als einziges Merkmal bereits aus? Eigentlich nicht. Zu einer „richtigen“ Blondine gehören für die meisten Menschen noch weitere äußerliche Kennzeichen: Die Haare sollten eher lang sein (jedenfalls nicht kurz) und die Frau sollte insgesamt attraktiv aussehen. Attraktivität ist bei Frauen jedoch – wie bereits oben erwähnt – gekoppelt an „kindchenhafte“ Merkmale im Gesicht. „Richtige“ Blondinen haben daher meist auch kindliche Gesichtszüge; dadurch werden sie jedoch nur umso mehr mit den oben genannten Charaktereigenschaften (unschuldig, schwach, unerfahren, naiv) in Verbindung gebracht. Ein Blick auf die Gesichter der hier abgebildeten Blondinen zeigt, dass sie alle „kindchenhafte“ Gesichtsmerkmale besitzen. Wenn man verstehen will, woher die Klischees über Blondinen kommen, darf man also nicht nur auf ihre Haarfarbe achten, sondern muss stattdessen das gesamte Äußere betrachten.

» Lesen Sie im zweiten Teil: Sind Blondinen vom Aussterben bedroht?

Beitrag von Martin Gründl

Links zum Thema

  • Informationsseite zur Attraktivitätswahrnehmung von Gesichtern

Zur Person

Martin Gründl (29) ist Diplom-Psychologe und promoviert zum Thema „Psychologie im Straßenverkehr“ an der Universität Regensburg. Er hat mit einer Teamarbeit zur Attraktivitätsforschung einen 2.Platz beim „Deutschen Studienpreis“ der Körber-Stiftung erzielt.

Literaturliste

  • Etcoff, N. (2001). Nur die Schönsten überleben. Die Ästhetik des Menschen. München: Hugendubel.
  • Grammer, K. (1995). Signale der Liebe. Die biologischen Gesetze der Partnerschaft. München. dtv.
  • Henss, R. (1998). Gesicht und Persönlichkeitseindruck. Göttingen: Hogrefe.
  • Wilson, E.O. (1995). Quo vadis, Homo sapiens? In: GEO extra. Das 21. Jahrhundert. Faszination Zukunft. Hamburg: Gruner+ Jahr.
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