Praktikanten aller Branchen vereinigt euch!
Eine im Februar 2006 erschienene Studie der DGB-Jugend brachte Licht in die bisher unerforschte Situation von Praktikanten. Die Experten sind sich einig: die Anzahl der Praktikanten steigt. Längst hat sich das Schlagwort der „Generation Praktikum“ etabliert. Betroffen sind aber nicht mehr nur Absolventen der Architektur, Geistes-, und Sozialwissenschaften, sondern zunehmend auch Wirtschaftswissenschaftler, die bislang einen leichteren Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt fanden. Aber Praktikum ist nicht gleich Praktikum. Die Arbeitgeber überschreiten immer öfter die Grenzen des Anstands – und des Arbeitsrechts.
Die Missstände kennen die Gründer des Vereins Fairwork aus eigener Erfahrung und aus den Berichten Betroffener. Die „Fairworker“ wollen gegen die sich ausbreitenden Dreistigkeit von Unternehmen vorgehen. Dazu betreiben sie eine erfolgreiche Website. Auf der Fairwork-Homepage können sich Betroffene in einer Datenbank über die Praktikumserfahrungen anderer informieren, sich in einem Forum austauschen und vernetzen. Unseriöse Praktikumsangebote nehmen die Fairwork-Aktiven entgegen, machen sie öffentlich und kontaktieren den Anbieter. Diese Rubrik gibt einen Überblick über die unsäglichsten Praktikumsbedingungen.
Auch die Zeitschrift „Junge Karriere“ engagiert sich mit ihrem Projekt „Fair Company“ gegen die Ausbeutung. Hier wird ein Gütesiegel an Unternehmen vergeben, die sich verpflichten, bestimmte Kriterien einzuhalten. Der Fairwork-Vorsitzenden Bettina Richter geht das aber nicht weit genug: „Die Grundidee mit der Zertifizierung ist gut! Insgesamt funktioniert es so nur nicht, weil die Kriterien zu unspezifisch sind. Statt einer angemessenen Vergütung muss eine konkrete Zahl genannt, also ein Mindestlohn angesetzt werden. Außerdem wird die Einhaltung der Kriterien bisher nicht überprüft, so dass ein Unternehmen fair bleibt, solange sich niemand beschwert.“
Der Verein Fairwork verfolgt verschiedene Strategien. Für Bettina Richter ist es wichtig, über die Problematik zu informieren und so zu sensibilisieren: „Zunächst muss man ein Bewusstsein schaffen in der Gesellschaft, bei den Unternehmen, aber auch bei den Betroffenen.“
Zu einigen Podiumsdiskussionen mit Arbeitgebern, Politikern und Praktikanten hat Fairwork schon eingeladen. Im Mai fand ein Fachgespräch bei der Fraktion der Grünen im Bundestag zur Thematik „Generation Praktikum“ statt, bei dem auch Bettina Richter auf dem Podium saß. Spürbar ist inzwischen eine zunehmende Resonanz in den Medien und der Politik: „Das Problem wurde erkannt, nun müssen Taten folgen und Lösungsansätze gefunden werden.“
Deshalb wird der Verein „Fairwork“ auch selbst politisch aktiv. Die Vereinsmitglieder haben eine Petition in den Bundestag eingebracht, die jetzt schon zu den erfolgreichsten überhaupt zählt. Ihre Forderungen sind nicht radikal, sondern pragmatisch: ein Mindestlohn für Hochschulabsolventen in Höhe des Arbeitslosengeldes II und eine zeitliche Begrenzung der Praktika auf vier Monate. Außerdem setzen sie sich für die Einhaltung gesetzlicher Regelungen bezüglich Urlaubsanspruch, Überstundenausgleich, Arbeitszeit- und Pausenregelungen ein. Eigentlich also für das, was allen Arbeitnehmern zusteht, für Praktikanten aber nicht selbstverständlich ist. Darüber hinaus wird der Deutsche Bundestag aufgefordert, zu beschließen, dass „Praktika von Hochschulabsolventen, die länger als drei Monate dauern und in dem Berufsbild abgeleistet werden, für das der Hochschulabsolvent ausgebildet wurde, in ein reguläres Arbeitsverhältnis umgewandelt werden.“ Noch bis zum 14. Juni 2006 kann die Eingabe eingesehen und online unterschrieben werden. Auch beim Europäischen Parlament soll, zusammen mit anderen europäischen Organisationen, eine Petition eingereicht werden. Über die Aktivitäten auf europäischer Ebene informiert seit kurzem die gemeinsame Homepage von Fairwork, der DGB-Jugend, der französischen Génération précaire und anderen Gruppen.
Ein Service des Vereins „Fairwork“ ist die kostenlose Rechtsberatung für Praktikanten, die sich gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen wehren. Die Rechtslage in Deutschland ist bezüglich des Praktikantenstatus eindeutig: Das Praktikum dient dem Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und darf keine regulären Stellen ersetzen. Wenn die Arbeitsleistung im Vordergrund steht – der Praktikant also zum Beispiel in die tägliche Verrichtung der Arbeit fest eingeplant ist –, besteht nach §138 II BGB Anspruch auf vollen Lohn. So urteilte das Bundesarbeitsgericht schon 2003. (6 AZR 564/01 BAG vom 13.03.2003).
Auch Bettina Richter hat ihren Arbeitgeber rückwirkend auf Lohnzahlung verklagt und Recht bekommen. Diesen Schritt wagen allerdings nur wenige, obwohl ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht bis zur ersten vorgeschriebenen Güteverhandlung ohne Anwalt möglich ist und nichts kostet. Erst danach können Kosten entstehen, die sich jedoch am Streitwert bemessen und daher eher gering ausfallen.
300 Mitglieder zählt der Verein inzwischen und bis zu 40 Betroffene melden sich pro Woche. Weitere Mitstreiter kann der Verein laut Bettina Richter deshalb gut gebrauchen: „Wir finden leider nicht genug Zeit, alle Presseanfragen zu beantworten. Gerne würden wir auch mehr recherchieren, zum Beispiel über die Situation in anderen europäischen Ländern. Und Leute, die die Interessen von Praktikanten auf einer Podiumsdiskussion vertreten wollen, sind sehr willkommen – zurzeit können wir gar nicht alle Termine wahrnehmen.“
Links zum Thema
- Homepage von Fairwork
- „Praktika von Hochschulabsolventen.“ Eine Studie der DGB-Jugend.
- Europäische Homepage der Generation Praktikum
- Die Petition an den Deutschen Bundestag kann hier unterschrieben werden.
Zur Person
Christina Erfeling ist Bankkauffrau und Diplom-Geographin. Sie hat Praktika bisher verweigert und lebt von prekären Beschäftigungsverhältnissen.
Literatur
- Vicki Hastrich (1996): Venomous and poisonous marine animals: a medical and biological handbook. Sydney.
- Alyn C. Duxbury (1984): An introduction to the world’s oceans. Reading..
