Dezember 2006 / Januar 2007

(K)ein Zimmer ohne Teas-maid

*Ob Hotelzimmer oder Studentenbude: In England gibt es kein Zimmer ohne Teas-Maid. Schrullig, nützlich und – lebensrettend.

Engländer, die im Best Western Premier Kinsky Garden Hotel in Prag absteigen, bekommen jeden Wunsch erfüllt: „We had no teas-maid in our room and asked if the hotel could provide us with one, it arrived within 5 minutes. Excelent location.“
Eine was? Nicht einmal die Wikipedia kennt diese Ausstattungslücke, zumindest noch nicht.
Auf der Insel aber regiert bekanntlich schon lange der Pragmatismus. Wer also Wecker, Teemaschine und Wechselrahmen ein einem haben will, der schraubt einfach alles auf eine elfenbeinfarbene Blechkonsole aus blitzendem Stahl und nennt es: Teas-maid.
Der Wecker holt einen morgens „da raus“, das Wasser kocht schon und der erste Blick kann auf die strenge Schwiegermutter, auf Opas Schäferhund oder Jenna Jameson fallen. Der Wechselrahmen für Postkarte oder Foto wurde erst in postmodernen Zeiten hinzugefügt, wahrscheinlich um das (oder die?) Teas-maid zu vollenden. Dass die Plastikversion allerdings eher hässlich ist und die altmodische Edelstahlvariante wunderschön, darüber kann nichts hinwegtäuschen.

*Aus Edelstahl war auch das Teas-maid, das seinerzeit den genialischen Schriftsteller W.G. Sebald beglückte, ja sogar rettete. Sebald geht 1966 als Student nach Manchester (so ähnlich suggerierte es eine seiner autobiographischen „langen Erzählungen“) und kommt bei einer Landlady unter, die eigentlich Prostituierte und Flügelhornspielerin ist, und ihm ein Teas-maid aufs schäbige Zimmer bringt. Es wirkt wahre Wunder und hält Sebald schließlich vom Selbstmord ab.
Es sei nämlich „dieses ebenso dienstfertige wie absonderliche Gerät“ gewesen, dass ihn „durch sein nächtliches Leuchten, sein leises Sprudeln am Morgen und durch sein bloßes Dastehen untertags am Leben festhalten ließ“ als er sich „sehr leicht aus dem Leben hätte entfernen können“.
Und was hält, bitte, die Teetrinker auf dem Kontinent am Leben?

Seebald wurde übrigens in England nicht endgültig gerettet. Eine andere Maschine sorgte für sein Unglück, Fabrikat unbekannt: Er starb 2001 am Steuer seines Autos am Herzinfarkt. Zu viel Tee?

Beitrag von Frank Berzbach.

Zur Person

Dr. Frank Berzbach, Teetrinker, Sebald-Leser und Fahrradkurier, unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung in Köln (www.ecosign.net).

Literatur

  • W.G. Sebald (1993): Die Ausgewanderten. Vier lange Erzählungen. Frankfurt/M. (Zitat oben: S. 227)
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