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Magazin für junge Forschung

Zum Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung
Meinung Ausgabe Oktober 2001

Wo ist die Grenze?

Man nehme vier Flugzeuge, eine Handvoll Terroristen und sechstausend Tote und voila, fertig ist die Suppe, die alle nach Sicherheit schreien lässt. Wir brauchen wieder mehr Spione, das Bankgeheimnis wird in Frage gestellt, Scharping bekommt ein extra-dickes Finanzpaket und in Hamburg bekommt die Schill-Partei 19 Prozent...

 

Nicht, dass dies so schnell gegangen wäre. Die Rufe nach mehr Sicherheit sind alt. Im Angesicht des Terrors jedoch sind sie lauter und die Widersprüche leiser. Auch das Wahlergebnis von Hamburg ist nicht direkt auf die Anschläge zurückzuführen. Die Partei von Richter Schill, die mehr Sicherheit verspricht, hatte auch vor New York Prognosen von bis zu 15 Prozent.

Ich bin selbst in Hamburg groß geworden und zur Uni gegangen. Es ist kein Spass, abends durch eine dunkle Gasse beim Kiez, in St Pauli oder Altona zu gehen und sich zu fragen, ob der Typ, der da hinter einem geht, gleich das Messer zückt. Hamburg ist seit langem Drogenstadt und viele Gebiete sind - besonders nachts - ein Greuel.

Aber nach den Attentaten ist offenbar das Bedürfnis nach Sicherheit auch bei den Hamburger Bürgern gestiegen und hat viele zur Wahl bewegt, die sonst vielleicht nicht - oder zumindest anders - gewählt hätten.

Die Suppe, die die Terroristen da für uns gekocht haben, heißt "Hilflosigkeit". Wir sind nicht in der Lage, uns vor ihnen zu schützen, ganz einfach, weil wir sie nicht erkennen. Vielleicht ist ein anderer Student in einem anderen Studentenausschuss auch ein Terrorist? Woher können wir das wissen?

Antworten auf unsere hilflosen Fragen liefern uns Politiker wie Innenminister Otto Schily. Sein Gegenrezept: Man müsse vorhandene Datenbestände nutzen, neue schaffen und vor allem miteinander verbinden. Dazu will er auch nicht davor zurückschrecken, den Datenschutz neu zu definieren. Die Polizei soll mehr Einblick in das Leben der Bürger haben.

Schily liefert mit seinen Datenbanken keine neuen Idee. Die Rufe nach mehr Überwachung, Spionen und Rasterfahndung haben zumindest unsere Eltern schon gehört. Und oft schon haben sich Politiker und Bürger klar gegen diese Ansätze gewehrt. Nicht ohne Grund. Nur ein Beispiel: Anlässlich des G-8 Gipfels in Genua lieferte die deutsche Polizei den Italienern Material über deutsche Verdächtige - und dabei unterliefen ihr offenbar Fehler. Unbescholtene Bürger wurden festgehalten, nur weil sie fälschlicherweise in eine Datenbank gerutscht waren (Siehe Spiegel-Artikel unten).

Dennoch: Wir haben Angst vor Terroristen und wollen sie so früh wie möglich erkennen. Aber wie könnte eine sichere Welt aussehen? Wer müsste überwacht werden? Das muslimisches Referat des Hamburger AStA - muss von Spionen infiltriert werden. Straftäter? Müssen in eine internationale Datenbank. Virologen? Oder Chemiker, die Zugang zu Kampfstoffen haben? Müssten auch überwacht werden. In welcher Form? Sollte Ihnen die Ausreise untersagt werden? Hacker? Ins Gefängnis. Muslimische Studenten, die nicht im AStA sind, aber Flugstunden nehmen? Wo ist die Grenze?

George Bush hat in seiner Rede betont, dass der Angriff der Terroristen gegen die höchste Errungenschaft der westlichen Welt geht: Gegen die Freiheit. Diese Freiheit sollte verteidigt werden - und nicht einem hilflosen Sicherheitsbedürfnis zum Opfer fallen. Auch wenn Freiheit geschützt werden muss, so muss doch das Maß wohl überlegt sein.

> Ein Interview der Zeit mit Schily
> Ein Artikel des Spiegels zeigt die Geschehnisse in Genua

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