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Soziologie meets New-EconomyWarum sich ein Soziologiestudium lohnen kann, auch wenn man hinterher gar nicht als Soziologe arbeitet. Ein Resümee nach zwei Jahren Uni-Abstinenz.
Fast zwei Jahre ist es her, dass ich meinen Abschluss im Magisterstudiengang Soziologie überreicht bekommen habe. Nebenfächer Psychologie und Ethnologie. Seitdem arbeite ich in der Internet-Branche, mittlerweile als Projektmanager. Offensichtlich ein ziemlicher Bruch mit der sozialwissenschaftlichen Welt, deren Denk- und Vorgehensweisen. War das ganze Studium wirklich umsonst? Es ist Zeit für mich der Sache auf den Grund zu gehen! Tatsächlich greife ich immer wieder auf Kompetenzen zurück, die ich mir im Studium angeeignet habe. Zuerst einmal ist da die erlernte analytische und systemische Sichtweise. Ein Dozent sagte einmal in einer Veranstaltung: "Sie erlernen hier keinen Beruf, Sie lernen lediglich wie man mit komplexen Dingen umgeht." Ein Glück! In einem Job, der viel geistige Flexibilität fordert und einen täglich mit völlig neuen Aufgaben konfrontiert, hilft mir eine wissenschaftliche Herangehensweise sehr. Wie definiere ich das Problem, das da vor mir liegt? Welche Faktoren beeinflussen dessen Lösung? Wie kann ich das ganze in einem Modell als System darstellen? Und dann natürlich das ganze bitte auch schriftlich! OK, die entsprechenden Strategien hat man sich im Laufe von Dutzenden von Hausarbeiten angeeignet. Ich habe damals also doch nicht umsonst riesige bedruckte Papierstapel erzeugt. Und die ganze Theorie? Ist Max Weber auch außerhalb des Hörsaals "irgendwie wichtig"? Nein! Die Frage wie sich Gesellschaften konstituieren und warum sie sich wandeln spielt zumindest in meinem beruflichen Leben keine Rolle mehr. Anders sieht es mit den eher praxisorientierten Theorien aus. Alles was ich jemals zu den Themen Organisations- und Betriebssoziologie gemacht habe, hat sich als lohnenswerte Investition herausgestellt. Wunderbarerweise kann ich mit diesen Theorien wirklich meine berufliche Umwelt beschreiben, erklären und beeinflussen. Hätte ich mich damals doch nur intensiver damit beschäftigt und Max Weber besser im Regal verstauben lassen ... Und was ist mit den wissenschaftlichen Messmethoden? Hat sich die Quälerei durch sechs Semestern "Statistik und empirische Methoden" gelohnt? Erstaunlicherweise ja! Marktfoschungsstudien auswerten, Zugriffstatistiken auf Internet-Seiten interpretieren, schnell eine Kundenbefragung konzipieren - bisher konnte ich diesen Anforderungen mit den Lehrinhalten der ersten beiden Methodensemester begegnen. Der Unterschied zwischen wissenschaftlichem Anspruch und der oft angedrohten "Realität" des Berufslebens hat auch angenehme Seiten :-) Fast hätte ich die unzähligen Referate vergessen! Wozu habe ich jahrelang einem zumeist gelangweilten Auditorium im Seminar meine Ergüsse vorgetragen um mich danach vom Dozenten argumentativ zerreißen zu lassen? Ganz einfach. Damit ich heute in "Meetings" einem ebenso gelangweilten "Team" Konzepte präsentieren und in einer anschließenden Diskussion meinen Standpunkt gegen die Konkurrenz verteidigen kann. Das Prinzip ist das gleiche - nur geht es jetzt um Geld. Schließlich sind da auch noch Dinge wie Empathie, interkulturelle und allgemeine Kommunikationskompetenz etc., die Personalchefs gerne sehen und die schlichtweg schon Inhalte eines sozialwissenschaftlichen Studiums sind. Glück gehabt! Wenn mir also demnächst wieder jemand die "Wozu hast du denn diesen Soziologie-Kram eingentlich studiert?"-Frage stellt, werde ich ein Antwort haben: Weil es sich lohnt! Ich glaube ich würde es wieder tun. Beitrag von | Beitrag empfehlen |
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