Alles Management oder was?
Früher gab es im Fußball nur den Trainer. Heute hat jeder Fußballverein auch einen Manager. Den Namen des Managers von Bayern München kennt jeder. Aber wie hieß eigentlich der Vorgänger und gab es überhaupt einen?
Management ist einer der Begriffe, die heute inflationär gebraucht werden: Sozialmanagement, Projekt-, Wissens-, Kommunikations-, Organisations-, Konflikt-, Netzwerk- oder Zeitmanagement, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Alles kann und muss gemanagt, also geführt werden. Da Kommunikation der "Flaschenhals der Führung" ist, durch den alles hindurch muss, sind die eigentliche Kernkompetenzen des Management die sogenannten Schlüsselqualifikationen oder "soft skills". Wer sich derzeit Stellenanzeigen anschaut, der gewinnt den Eindruck dass weniger Fachkompetenzen als vielmehr diese sozialen Kompetenzen die wichtigere Rolle spielen. Gemeint sind mit Schlüsselqualifikationen zum Beispiel Kommunikations- und Teamfähigkeit oder im weitesten Sinne die "emotionale Intelligenz".
Die Frage ist nun, wo diese viel verlangten neuen Kompetenzen gelernt werden können? In unserem Ausbildungssystem ist meist nur die Vermittlung von Fachwissen vorgesehen, nicht aber von Schlüsselqualifikationen. Dabei können auch diese klar umrissen werden: Schlüsselqualifikationen können als fach- und berufsübergreifende, nichtstandardisierbare, kommunikativ-soziale Qualifikationen charakterisiert werden.
Entscheidend ist hierbei nicht, dass sie an eine bestimmte Fachlichkeit gebunden sind. Schlüsselqualifikationen und Managementaufgaben befinden sich vielmehr zwischen oder quer zu allen Disziplinen. Das Management eines Fußballvereins erfordert zwar ein anderes Fachwissen als das einer Drogeneinrichtung, aber eventuell dieselben Schlüsselqualifikationen.
In Interviews mit Stelleninhabern erweist sich das Studium und das erlernte Fachwissen als zweitrangig. Als Quelle für die Aneignung von Schlüsselqualifikationen werden Berufserfahrung, "training on the job" und "learning by doing" angegeben. Interessanterweise kann ein Großteil der Personen nur wenig konkrete Methoden benennen, die bei ihrer Tätigkeit zur Anwendung kommen. Die Managementfähigkeiten werden eher intuitiv angewendet. Diese Aussagen bestätigen, dass sehr wichtige Kompetenzen derzeit noch nicht vermittelt werden. Zwar kann man auf diese Weise auch ohne die Kenntnis der Verkehrsregeln am Berufsverkehr teilnehmen, aber eben nur solange bis es kracht. Meist kracht es aber nicht. Aber warum nicht?
An den Universitäten wird bisher primär Fachwissen vermittelt, es existieren aber noch versteckte Lernebenen. Wer das Hochschulsystem "überlebt" und mit einem akademischen Titel abgeschlossen hat, muss zwangsläufig Kompetenzen wie Selbstorganisation, systematische Wissensaneignung und Kommunikationskompetenzen erlernt haben. Wer sich das nicht aneignen kann, wird es nur schwerlich bis zum akademischen Abschluss schaffen. Insofern "erzieht" das Hochschulsystem zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen und zum Selbstmanagement, ohne sich dessen bewusst zu sein. Da diese Qualifikationen aber nicht bewusst, sondern nebenbei erlernt werden, entsprechen sie nicht den gängigen Vermittlungsstandards. Das hat zur Folge, dass zum Beispiel Methoden von den Absolventen nicht benannt werden können.
Ein professionelles Modell zur Vermittlung von Managementwissen könnte jedoch rationaler und transparenter gestaltet werden. Jeder soll wissen, was er lernt und warum er es lernt, um dies außerhalb der Universität kommunizieren zu können. Methoden können dann nicht nur instinktiv, sondern bewusst angewendet werden. Ein veränderter Fächerkanon könnte den Missstand der latenten Vermittlung beheben, also brauchen wir ein weiteres Fach: "Management".
Links zum Thema
- www.sozial-raum-management.de
Zur Person
Holger Spieckermann, geb. 25.12.1964, ist Soziologe und arbeitet an der Fachhochschule Köln in dem Themenfeld Sozialraummanagement und Stadtentwicklung.
Literatur
- Herbert Schubert (Hrsg.): Sozialmanagement. Leske + Budrich: 2001 (Im Erscheinen)
