Gedanken einer Afghanin
Es sind bereits mehrere Tage seit der Tragödie in Amerika vergangen und dennoch verblassen die Bilder, die einem Horrorszenario aus einem Science-Fiction Film gleichen, kein bisschen. Nein, es kommt noch schlimmer, die Medien sorgen dafür, dass uns Einzelschicksale tief erschüttern und sich fest in unseren Erinnerungen einprägen.
Ich schreibe meine Gedanken auf, weil mich die Schreckensbilder bis in meine Träume verfolgen und tiefe Ängste in mir wecken. In diesen Träumen sehe ich mich in der Rolle einer Verurteilten, die aufgrund ihrer Herkunft schuldig gesprochen wird. Wenn ich dann aufwache, weiß ich, dass es nur ein Alptraum war. Dennoch kommen diese Träume nicht von ungefähr. Die Berichte der letzten Tage haben auch gezeigt, dass Menschen, die nichts mit Terrorismus zu tun haben, aufgrund ihrer Religion oder Herkunft bedroht werden. Viele Menschen sind in ihrer Trauer emotional so aufgewühlt, dass sie nicht mehr zwischen Einzelnen unterscheiden können. Deshalb sind insbesondere die Medien aufgefordert, sensibler mit diesem Thema umgehen, um keine einseitigen Emotionen zu schüren.
Um Anteilnahme zu zeigen und mitzufühlen, spielt die Herkunft keine Rolle, weil das Werte der Menschlichkeit sind, gleichermaßen wie Besonnenheit und Weitsicht.
Jede Art von Fanatismus ist zu verdammen, ebenso wie blinder Hass und zügellose Wut. Der Schrei nach Vergeltung mag verständlich sein, die Unbekümmertheit um die afghanische Zivilbevölkerung nicht.
Zur Person
Nadia Kraam-Aulenbach ist 1967 in Prag geboren, sie hat ihr Heimatland Afghanistan nur kurz, während eines zweijährigen Aufenthaltes in Kabul kennengelernt. Sie sagt die "positiven Erinnerungen daran seien durch Krieg und Gewalt verdrängt". Die Flucht nach Deutschland gelang ihrer Familie 1980. Derzeit arbeitet sie an der Fachhochschule Köln als Computerspieleforscherin und schreibt an ihrer Doktorarbeit.
