Dezember 2001

"Die Uni ist einfach nur Psycho-Stress!"

Eine repräsentative Umfrage wirft ein düsteres Licht auf das Seelenleben der Studierenden an deutschen Hochschulen.

Karl, Medizinstudent im dritten Semester, kann es nicht glauben. Zum dritten Mal ist er jetzt schon durch Anatomie gefallen. "Wenn ich noch einmal durchfalle, kann ich mein BAföG vergessen".

"Der soll sich doch nicht so haben," meint Anna. "Schließlich leben Studenten ja auf Kosten des Staates, während Leute wie wir schon lange schuften müssen". Anna ist 24 und hat sich - im Gegensatz zu vielen anderen aus ihrem Abiturjahrgang, für eine Ausbildung zur Verlagskauffrau entschieden.

Wer von den beiden hat nun recht? Ist die Uni eine Oase des Wissens, in der jeder sich die Früchte der Erkenntnis bequem und auf Staatskosten selbst pflücken kann - oder ist sie in Wirklichkeit eine Folteranstalt eitler, wehleidiger Selbstdarsteller?

Wahrscheinlich trifft weder der eine, noch der andere Fall zu. Vielmehr sind die deutschen Universitäten viel zu facettenreich, viel zu unterschiedlich, um eine globale und für jede Universität gültige Aussage zu treffen. Es gibt lediglich Indizien - und die sind teilweise nicht ganz so rosig, wie sie manche Bildungspolitiker gern sähen.

Ein Indiz dafür, dass die Zustände an den deutschen Universitäten zur Zeit für viele Studierende tatsächlich eine Belastungsprobe darstellen, lieferte kürzlich die Universität Münster. In einer Pressemitteilung von Ende Oktober 2001 wurde eine Studie vorgestellt, in der das psychische Befinden der Studierenden untersucht wurde.

Interessant daran ist - wie so oft - das, was zwischen den Zeilen geschrieben steht:

Die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden sei schlecht, es gäbe nur unzureichende Beratungsmöglichkeiten. Im Klartext: Die Studenten fühlen sich allein im Regen stehen gelassen. Weiter heißt es: "Kritisiert werden auch Defizite bei der Einübung in wissenschaftliches Arbeiten und bei der Vorbereitung auf die Berufspraxis."

Da haben wir es schwarz auf weiß: Die zentralen Qualifikationen, die man eigentlich durch sein Studium erwerben sollte, werden anscheinend gar nicht vermittelt. Es geht noch weiter - Schlag auf Schlag haben die Studierenden in der vorliegenden Umfrage ihrem Unmut Luft gemacht. Man erfahre kaum Lob für gute Leistungen - und jeder Fünfte gab an, im Studium durch psychische Schwierigkeiten beeinträchtigt zu sein. "Im Vordergrund stehen dabei Prüfungsangst, depressive Stimmungen, mangelndes Selbstwertgefühl und Arbeits- und Konzentrationsschwierigkeiten". Für etwa ein Zehntel aller Studierenden bestehe großer persönlicher Bedarf an Beratung und Hilfestellung wegen psychosozialer Schwierigkeiten.

Darüber sollte man wirklich nachdenken. Nicht nur an der Universität Münster, sondern in einem länderübergreifenden hochschulpolitischen Diskurs. Die Zeit für Lob und Preis ist vorbei. Wir müssen darüber nachdenken, ob unsere Hochschulen noch das sind, was sie eigentlich gern wären.

Beitrag von Christoph Scherber

Links zum Thema

  • Pressemitteilung der Universität Münster
  • Artikel in der Süddeutschen Zeitung
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