"Ich sitze in Islamabad ..."
Liebe Freunde!
Heute ist Sonntag, der 13. Januar 2002, 12:00. Ich sitze in Islamabad, Pakistan und mir ist eigentlich immer noch nicht ganz klar was ich hier eigentlich mache. Am Freitag bin ich in Dubai gelandet und habe noch einmal 24 Stunden den Luxus eines Ölemirates genossen. Mitten in der Wüste ein Garten der so groß ist, dass dort fast eine Million Menschen leben können. Überall Marmor und Springbrunnen. Und etwa dreimal so viele Inder wie Araber.
Samstag ging es dann mit anderthalb Stunden Verspätung nach Islamabad: es gab Gepäckstücke, die niemanden zugewiesen werden konnten und so wurde der Flieger erst noch lange durchsucht.
Es ist schon seltsam in einen Flieger zu steigen, in dem lauter Männer mit langen Bärten sitzen und drei Stunden am Stück im Koran lesen. Nicht dass mir das so fremd wäre, aber nach all den Berichten in den Medien wird einem doch komisch. Außerdem war ich mal wieder neben einer wasserstoffblonden Frau der hellste, ich glaube es saßen maximal fünf Europäer im Flieger. Und plötzlich konnte ich nachempfinden, wie sich Inder oder Afrikaner in einem Bus von Amergau nach Oberammergau fühlen.
Wir kamen also mit einiger Verspätung im Islamabad-International-Airport gegen 3 Uhr morgens an. Der Flughafen besteht eigentlich nur aus mehreren aneinander gestellten Garagen die noch gefliest werden müssen, was man dann auch tut, nachts um drei.
Ein beißender Geruch von irgend einem nicht zu ortenden Feuer wehte herüber. Ausser mir schien das jedoch niemand zu beunruhigen. Also beschloss ich auch nicht mehr nervös zu werden.
Ach ja, ich reise übrigens nicht alleine. Mein Begleiter heißt Graham, ist Südafrikaner mit britischem Pass und seit ca. 5 Jahren Minenräumer. Die letzten zwei Jahre war er im Kosovo, davor in Bosnien, also jemand mit Erfahrung in Ländern, die als eher unzugänglich gelten.
Wir wurden von Tim, einem Mitarbeiter des man-action-programs (MAP, ein Programm, dass sowohl Minen räumt als auch überall in der Welt Bomben, Blindgänger, etc entschärft) abgeholt. Ein etwas seltsames Gefühl mit einem weißen UN-Jeep, mit einer der größten Antennen, die man sich auf einem Auto vorstellen kann, durch die Gegend zu fahren.
In der Dunkelheit wirkte Islamabad nicht gerade sehr groß. Es scheint eine Stadt zu sein, die auf dem Reißbrett geplant wurde. Wir fuhren also durch die dunkle Stadt über jede nur denkbare rote Ampel die es gab und unser pakistanischer Fahrer erklärte uns, dass wir erstens ein UN-Fahrzeug hätten und zweitens es gar keine roten Ampeln gäbe. Danach lachte er so hysterisch, dass ich nun doch wieder nervös zu werden begann.
In einem alten sehr heruntergekommen Gästehaus des MAP bezog ich endlich mein Zimmer, versuchte den beißenden Geruch zu ignorieren, genauso wie den Hahn der anfing zu krähen und schlief dann doch endlich ein.
Am nächsten Morgen hatte mich die Nervosität dann doch wieder eingeholt. Am Frühstückstisch saßen neben Graham, der ein wirklich feiner Kerl ist, und Tim acht ehemaligen Marines am Frühstückstisch. Es sind Minensucher, Kerle neben denen ich plötzlich nur noch wie eine viertel Portion wirkte. Und mich kurze Zeit auch so fühlte. Denn was ist auch schon jemand der ein Schulspeisungsprogramm organisiert neben lauter Riesen, die normalerweise auf ihren Knien rumkriechen und nach Minen suchen. Bis auf eine kleine Unterhaltung mit Graham und Tim wurde ich ignoriert. Und ehrlich gesagt: mir war auch gar nicht nach einer Unterhaltung mit diesen Typen.
Im Laufe des Frühstücks hörte ich dann aus den Gesprächen heraus, dass es doch nicht so einfach sein würde die UN-Transportmaschine zu besteigen wie es sich in Deutschland noch angehört hatte. Es kann also sein, dass ich hier noch einige Tage festsitze. Vielleicht ist es ja ganz gut, so kann ich mich langsam an die neue Umgebung gewöhnen, denn Afghanistan wird sicherlich noch extremer sein als Islamabad.
Liebe Grüße
Marco Obermüller
Links zum Thema
- www.help-ev.de
Zur Person
Marco Obermüller hat sein Studium der Islamwissenschaft und Philosophie abgebrochen, um ein Unternehmen zu gründen. Nach dem Ausstieg hat er sich auf Jobsuche gemacht und ist bei help e.V. gelandet.
