Die Nikomachische Ethik ist neben der Eudemischen Ethik und den Magna Moralia die am meisten zitierte ethische Schrift des Aristoteles. Vermutlich wurde sie nach Aristoteles’ Sohn Nikomachos benannt. Das zwischen 335 und 323 v. Chr. aus Vorlesungsnotizen entstandene Werk gilt als äußerst komplex. Seine knappen, kompakten Sätze fordern zu intensiver Lektüre und Interpretation heraus. In zehn sogenannten „Büchern“, einzelnen Kapiteln vergleichbar, handelt Aristoteles ein breites Spektrum ethischer Fragen ab. Seinem Konzept der „Glückseligkeit“ widmet er gleich zwei Bücher (I und X). Das zentrale V. Buch befasst sich mit Grundfragen der Gerechtigkeit. Daneben werden einzelne Tugenden und Untugenden ebenso analysiert wie die Bedingungen guter Freundschaft (VIII. Buch). Im Mittelalter gelangte die Nikomachische Ethik gemeinsam mit vielen anderen, bis dahin verschollen geglaubten Aristotelischen Schriften nach Europa, wo sie übersetzt und kommentiert wurde. Bis heute hat sie nur wenig von ihrer gedanklichen Kraft eingebüßt. Auch in aktuellen ethischen, moralphilosophischen Debatten hinterlässt das faszinierende Werk noch immer seine Spuren (so beispielsweise in Phillippa Foots jüngst erschienenem Buch Die Natur des Guten, in dem ein von Aristoteles abgegrenzter Glücksbegriff präsentiert wird).