Mehr Geld für deutsche Professoren
Das Bauwesen in Deutschland liegt zur Zeit am Boden; vielen Absolventen scheint es beinahe unmöglich, eine Stelle zu finden. Ausländische Studierende, die nur für ein oder zwei Semester nach Deutschland kommen, sind von dieser prekären Situation nicht betroffen. Sie profitieren eher von den geringen Studierendenzahlen. Mike Tomasini, Bauingenieurstudent aus den USA verbringt das letzte Semester seines Bachelorstudiums an der TU Braunschweig. Seine Motivation für ein Studium in Deutschland, seine Erfahrungen mit den deutschen Professoren und Studenten, sowie seine Meinung zu Studiengebühren stehen im Mittelpunkt des folgenden Interviews.
sg: Was zieht einen Studenten aus Wyoming in eine deutsche Provinzstadt?
Im Jahr 2003 waren 3328 Studierende aus den USA in Deutschland zum Studium eingeschrieben. Damit liegt diese Studierendengruppe nur an Platz 18 der wichtigsten Herkunftsstaaten ausländischer Studierender und damit noch hinter Ländern wie Spanien, dem Iran oder Kamerun.
(Quelle: www.wissenschaft-
weltoffen.de)
MT: Meine Universität bietet zusammen mit Universitäten aus verschiedenen Ländern die Möglichkeit an, einen internationalen Abschluss, das International-Civil Engineering Degree, abzulegen. Um diesen Abschluss zu bekommen, muss man die grundlegenden Kenntnisse der jeweiligen Fremdsprache haben, Kurse an einer ausländischen Universität besuchen, und zusätzlich ein Praktikum im Ausland absolvieren. Von den zur Auswahl stehenden Universitäten habe ich Braunschweig gewählt.
sg: Und warum gerade Deutschland?
MT: Ich bin 1999 mehr oder weniger durch Zufall nach Deutschland gekommen, weil ich ein Stipendium gewonnen hatte. Als ich hier lebte und Deutsch lernte habe ich auch das Gymnasium Velten und nebenbei die Volkshochschule in Berlin besucht. Dadurch habe ich viele Menschen kennen gelernt und Freundschaften geschlossen und daher wusste ich ein bisschen, was mich erwarten würde.
sg: Kanntest Du Dich auch schon an deutschen Universitäten aus?
MT: Nein, zunächst nicht. Aber ich habe mich dann im Internet und durch meine deutschen Freunde informiert. Im „International Engineering Club“ an der University of Wyoming, den ich gegründet habe, gab es Vorträge zu dem Thema. Daher konnte ich auch Informationen erhalten. Außerdem habe ich beim Studium in Wyoming einen Deutschen kennen gelernt, der dort studierte und mir einiges erzählen konnte.
sg: Die eigenen Erfahrungen zeichnen dennoch häufig ein anderes Bild als man erwartet hatte. Gab es für Dich größere Überraschungen?
MT: Ich war überrascht, dass die Studenten hier so wenig in der Vorlesungszeit tun! Zu Hause schreiben wir in regelmäßigen Abständen Prüfungen. Man muss also ständig lernen, merkt aber auch schnell, wo man Lücken hat. Hier fängt man scheinbar erst kurz vor den Prüfungen mit Lernen an.
sg: Gibt es sonst noch deutliche Unterschiede?
MT: Das Verhältnis zu den Professoren ist ein anderes. Wir haben die „open door policy“. Wann immer man eine Frage hat, kann man zum Professor gehen. Den Eindruck, dass hier so ein unkomplizierter Kontakt möglich ist, habe ich nicht.
sg: Wo hast Du dann Unterstützung gefunden? Konnten Dir die Mitstudenten weiterhelfen?
MT: Ich habe natürlich viel in den zur Verfügung gestellten Skripten sowie den zugehörigen Büchern gelesen. Und natürlich gibt es ja auch die Sprechstunden, wo einem weitergeholfen wird. Zu den deutschen Mitstudenten habe ich leider wenig Kontakt. Dort existieren meist Gruppen, die sich schon lange kennen. Da hat man wenige Möglichkeiten, gemeinsam etwas zu unternehmen.
sg: Gibt es sonst noch wesentliche Unterschiede?
MT: Die Semesterzeit in den USA ist anders verteilt als in Deutschland. Die Semester fangen Ende August und Anfang Januar an und enden Mitte Dezember beziehungsweise Mitte Mai. Im Sommer hat man die Gelegenheit zu arbeiten um Geld zu verdienen. Außerdem kann man im Sommer auch mit dem Studium weiter machen, denn es werden auch einige Kurse angeboten.
sg: In den USA gibt es bereits seit Jahrzehnten Studiengebühren. In Deutschland werden nach einem aktuellen Urteil bald erstmals Studiengebühren eingeführt. Häufig wird die Befürchtung laut, dass dies ärmere Studierende abschreckt. War für Dich die Höhe der Studiengebühren ein Problem?
MT: Meine Uni nimmt nur relativ geringe Gebühren im Vergleich zu anderen amerikanischen Universitäten. Das war sicher ein Aspekt in meiner Entscheidung, dahin zu gehen. Aber ich habe bisher sowieso nur im ersten Semester bezahlen müssen und danach immer Stipendien gewonnen. Wichtiger war sicherlich, dass ich nicht soweit von zu Hause weg wollte. Sonst hätte ich mich auch woanders beworben.
sg: Wo siehst Du denn Möglichkeiten, durch die Mehreinnahmen aus den Gebühren etwas im Unisystem zu verbessern?
MT: Oh, da gibt es einiges. Ich würde viel mehr in Technik investieren. Hier gibt es so wenige Computer! Bei uns zu Hause haben wir viel mehr; deshalb kann man auch gut in der Uni arbeiten. Außerdem würde ich die Gebäude schöner machen. Das ist vor allem wichtig, um sich nach außen positiv darzustellen. Auch finde ich es nicht schön, dass man hier kein zusammenhängendes Gelände hat. In den USA betritt man immer irgendwann den Campus und weiß: „Jetzt bin ich in der Uni.“ Das vermisse ich hier. Und mehr Grünflächen wären toll. Und die Bezahlung der Professoren würde ich verändern.
sg: In wie weit denn das?!
MT: Ich habe den Eindruck, dass die Professoren hier viel Zeit damit verbringen, neue Projekte zu starten, um mit dem so eingenommenen Geld Mitarbeiter einzustellen. Das ist zwar gut, da mit mehr Mitarbeitern auch mehr Forschung und bessere Betreuung der Studenten möglich ist. Aber leider haben dadurch die Professoren natürlich nur wenig Zeit. Ich würde es viel besser finden, wenn den Professoren soviel Geld zur Verfügung stehen würde, dass sie auch ohne neue Projekte ausreichend Mitarbeiter finanzieren können und dadurch mehr Zeit für die Studenten zu haben.
sg: Es scheint ja doch einiges nicht so zu sein, wie Du es Dir wünschen würdest. Was gefällt Dir an dem Studium in Deutschland?
MT: Mir gefallen die neuen Erfahrungen, die ich hier an der Uni aber auch außerhalb davon gewonnen habe. Weiterhin finde ich es schön, neue Leute kennen gelernt zu haben. Obwohl oder gerade weil es hier für mich nicht so einfach ist, glaube ich, dass ich mich durch meine Zeit hier verbessert habe. Durch die Probleme und den Stress, die ich hier hatte, habe ich gelernt, wie man besser damit umgeht. Ich habe hier viele interessante Kurse besucht, die ich an meiner Uni nicht hätte belegen können. Durch mein Auslandssemester und mein Praktikum, glaube ich, dass ich eine bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt haben werde.
sg: Bereust Du die Entscheidung, hierher gekommen zu sein?
MT: Sicher nicht! Es ist auf jeden Fall eine wertvolle Erfahrung. Man lernt eine Kultur besser kennen, aber auch sich selbst.
sg: Wirst Du, wenn Dein Bachelorstudium im Sommer abgeschlossen sein wird, in die USA zurückkehren?
MT: Ja, ich hatte mich um einen Platz im Masterprogramm an der University of Wyoming beworben. Nur mit sehr guten Leistungen hat man da eine Chance, genommen zu werden. Deshalb freue ich mich umso mehr, schon jetzt die Zusage zu haben.
Links zum Thema
- TU Braunschweig
- University of Wyoming
- University of Wyoming – International Engineering Option
- DAAD – Informationen zum Studium in den USA
Zur Person
Mike Tomasini ist Student des Bauingenieurwesens an der University of Wyoming. Das letzte Semester seines Studiums verbringt er an der Technischen Universität in Braunschweig. Nach Abschluss des Semesters und der Prüfungen macht er ein Praktikum bei der Siemens AG.
