Albert Einstein – streitbarer Demokrat und engagiertes Vorbild
In Deutschland hat die Bundesregierung 2005 zum „Einsteinjahr“ erklärt und dieses am 19. Januar offiziell eröffnet. Albert Einstein soll ein wenig Glanz auf den deutschen Wissenschaftsstandort werfen. Sein Forschergeist als Motivation für den Forschungsstandort Deutschland? Man ehrt den Forscher, aber wohl weniger den kritischen Demokraten, der sagte: „Ich würde alle Kriegsdienste uneingeschränkt verweigern und würde auf meine Freunde einwirken, dasselbe zu tun, gleichgültig, welcher Grund für den Krieg auch angegeben ist.“
Schon früh macht Albert Einstein schlechte Erfahrungen mit Autoritäten in den staatlichen Bildungs- und Erziehungsanstalten. Seine Lehrer am Luitpold-Gymnasium erscheinen dem 15-jährigen als „überwiegend dem Leutnantscharakter zugewendet“. Er muss die Schule abbrechen und sein Abitur in der Schweiz machen. Die deutsche Staatsbürgerschaft gibt er rechtzeitig ab, um den echten deutschen Leutnants zu entgehen, deren militärischen Drill er fürchtet.
Damit ist er zunächst staatenlos. Erst als es 1902 für seinen Job im Berner Patentamt nötig wird, beantragt er die Schweizer Staatsbürgerschaft. Als er 1913 an die preußische Akademie der Wissenschaften berufen wird, besteht er darauf, Schweizer zu bleiben. Zwar spiele der Staat, dem er als Bürger angehöre, in seinem Gemütsleben nicht die geringste Rolle, und Staatsbürgerschaft vergleicht er mit der „Beziehung zu einer Lebensversicherung“. Doch ausgerechnet beim deutschen Staat möchte er keine Lebensversicherung abschließen.
In seinem akademischen Wirken lehnt er sich gegen eine Ausprägung von Wissenschaft auf, die er bisweilen als überspezialisiert und als vom „Autoritätsdusel“ fehlgeleitet empfindet. In seiner Zeit am Schweizer Patentamt gründet er zusammen mit Freunden die utopisch ausgerichtete Akademie Olympia. Oft zieht er diesen freien Verbund den offiziellen Akademien vor.
„Begriffe, welche sich bei der Ordnung der Dinge als nützlich erwiesen haben, erlangen über uns leicht eine solche Autorität, dass wir sie als unabänderliche Gegebenheiten hinnehmen. Sie werden zu ´Denknotwendigkeiten´ gestempelt. Der Weg des wissenschaftlichen Fortschritts wird durch solche Irrtümer oft für lange Zeit ungangbar gemacht. Es ist deshalb keine müßige Spielerei, wenn wir darin geübt werden, die geläufigen Begriffe zu analysieren. Dadurch wird ihre allzu große Autorität gebrochen.“ Einstein macht sich über die Befähigung und den Mut der Mehrheit zu kritischem Denken keine großen Illusionen: „Wenige sind imstande, von den Vorurteilen der Umgebung abweichende Meinungen gelassen auszusprechen; die meisten sind sogar unfähig, überhaupt zu solchen Meinungen zu gelangen.“
Die Auseinandersetzung um Einsteins Staatsbürgerschaft erreicht mit der Nobelpreisverleihung 1922 ihren unrühmlichen Höhepunkt. Da er sich auf einer Japanreise befindet, kann er nicht anwesend sein. Für diesen Fall der Abwesenheit des Auszuzeichnenden sieht das Zeremoniell vor, dass ein Gesandter des jeweiligen Staates die Auszeichnung entgegennimmt. Im Dezember 1922 erheben nun der schweizer und der deutsche Gesandte Anspruch auf Einsteins Auszeichnung.
Mit der forschen Auskunft der Berliner Akademie, Einstein sei Reichsdeutscher, versucht die deutsche Vertretung ihren Anspruch auf die Urkunde zu untermauern. Als daraufhin das Auswärtige Amt erklärt, Einstein besitze doch nur die schweizer Staatsangehörigkeit, retten die Juristen der Akademie mit einem Gutachten den Nobelpreis für Deutschland. Demnach sei Einstein mit seiner Berufung in die Akademie „mittelbarer Staatsbeamter“ und damit automatisch Deutscher geworden, da er nicht ausdrücklich widersprochen habe. Genau das habe er allerdings getan, erklärt Einstein. Die Akten, die das belegen können, bleiben leider unauffindbar, und Einstein muss akzeptieren, dass er schon 1914 Deutscher geworden ist.
Wie schon oben erwähnt, wandte sich Einstein deutlich gegen den Wehrdienst. Den militärischen Habitus, der in den Kasernen stolz zur Schau getragen wird, verabscheut er zutiefst: „Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun beteiligen! Ich denke immerhin so gut von der Menschheit, dass ich glaube, dieser Spuk wäre schon längst verschwunden, wenn der gesunde Sinn der Völker nicht von geschäftlichen und politischen Interessenten durch Schule und Presse systematisch korrumpiert würde.“
Im Sommer 1932 setzt Einstein sich mit dem ganzen Gewicht, das seine Meinung in Deutschland hat, für die Demokratie ein. Er unterstützt den Kongress gegen imperialistische Kriege und versucht gemeinsam mit französischen und englischen Wissenschaftlern, eine internationale Organisation gegen Krieg und Faschismus aufzubauen. Mit Heinrich Mann und Käthe Kollwitz ruft er Sozialdemokraten und Kommunisten auf, eine Einheitsfront gegen die Nazis zu bilden, das hieße mit gemeinsamen Listen bei den Wahlen anzutreten.
Er mischt sich auch in den Fall Gumbel ein: Rechtsextreme Studenten veranstalteten gegen den Heidelberger Professor Gumbel eine organisierte Hetze, da er in sorgfältig recherchierten Büchern die Verbrechen der nationalistischen Verbände aufgelistet hatte. Es kommt, wie es kommen muss: Die Nazis setzen 50000 Reichsmark auf Einsteins Kopf aus. In einem kleinen Buch mit dem Titel „Juden sehen dich an“, das zur Fahndung nach den entsprechenden Personen aufruft, findet sich auch sein Bild, begleitet von einem genauen Steckbrief. Darunter steht: „Noch ungehängt“.
Zu dieser Zeit befindet sich Einstein bereits in Belgien und bereitet seine Ausreise nach Amerika vor. Er besteigt am 10. Dezember 1932 das Schiff „Belgenland“ in Richtung New York. Im März 1933 kehrt er noch einmal nach Europa zurück, um der deutschen Gesandtschaft in Brüssel seinen deutschen Pass zurückzugeben. Deutschland hat er nie wieder betreten.
Der Schauspieler Charly Chaplin sagte einmal bei einem Treffen mit Einstein: „Mich preist man, weil mich alle Welt versteht. Und Sie preist man, weil keiner Sie versteht.“ Im Einsteinjahr versuchen viele seine physikalischen Theorien verständlich zu erklären. Und obwohl viel näher am täglichen Sein, scheint seine politische Einstellung angesichts zahlloser Kriege der westlichen Zivilisation und damit einhergehendem autoritaerem Gedusel weitgehend unverstanden geblieben zu sein.
Links zum Thema
- Seite zu politischem Judentum, die sich dabei auf Einstein bezieht
- Seite des Autors mit Audiobeitrag zu diesem Artikel
- Zusammenstellung von Buchrezensionen zu Chotjewitz Roman „Das Abenteuer des Denkens“ über das Leben Albert Einsteins, der 2004 erschienen ist.
Zur Person
Fabian Czerwinski studiert Physik in Heidelberg. Hinter den Theorien und Modellen interessieren ihn auch die Personen. Er arbeitet beim freien Radio Bermudafunk in Mannheim, wo er die Sendung contra.funk mitproduziert.
Literatur
- Albert Einstein (1930): Wie ich die Welt sehe. In englischer Ausgabe: The World as I See It. Watts, London 1949.
- Ferdinand Muggenthaler: „Der Autonome“ In: Jungle World Nr. 3, 19. Januar 2005
- „Das Gedenkjahr 2005: Willkommen im Kosmos Einstein“, Sonderbeilage der Süddeutschen Zeitung vom 3. Januar 2005
Zum Weiterlesen:
- Albert Foelsing (1993): Albert Einstein – eine Biographie. Suhrkamp, Frankfurt am Main.
- David Chotjewitz (2004): Das Abenteuer des Denkens. Carlson, Hamburg.
