Juni/Juli 2007

Wer hat, dem wird gegeben

Der Deutsche Studienpreis ist 10 Jahre alt und etabliert – und wird leider abgeschafft. Ersetzt wird er durch einen Promotionspreis, bei dem nicht mehr eine Fachjury, sondern ein prominent besetztes Kuratorium entscheiden soll. Statt einer Vielzahl von Preisen wird es nur noch ganz wenige Preisträger geben. Studierende und Fachhochschüler dürfen nicht mehr mitmachen. Warum nur? Eine kritische Anfrage von Studienpreis-Alumni.

In den letzten zehn Jahren ist der Deutsche Studienpreis kontinuierlich modernisiert und verbessert worden. Damit wurde zum einen aus Erfahrungen gelernt, zum anderen auf den Zeitgeist reagiert. Und bisher haben die vergebenen Preise vielfältige positive Auswirkungen auf die (Bildungs-) Biographien junger Forscher/innen gehabt – die Auszeichnung, Kontakte, die angebotenen Kollegs und (informellen) Alumnianstrengungen haben eine große Community entstehen lassen, die der Körber-Stiftung und dem Studienpreis freundschaftlich verbunden ist. Hier fanden und finden sich junge Forscher zusammen, für die der Elfenbeinturm zu eng ist. Viele Studienpreisträger bewerten das auf den gesellschaftlichen Dialog zielende wissenschaftliche Denken höher als die Universitätskarriere, die auch auf starken Anpassungsleistungen beruht. Allein der Deutsche Studienpreis belohnte die bloße Forschungsleistung und weniger das Absolvieren der standardisierten Selektionsstufen des Wissenschaftssystems (Magister-, Diplom-, Dr. Titel). Mit dieser Praxis der Preisvergabe wurde neben den gesetzten Themen das Selbstbewusstsein zahlreicher junger, intellektuell unangepasster und innovativer Menschen gestärkt – dies zeigen auch die Karrieren der Studienpreisträger in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Mit dem Magazin sciencegarden, ermöglicht durch finanzielle Förderung und Beratung, konnte sich seit 2000 ein inzwischen etabliertes und zugleich alternatives Onlineforum entwickelt. Monatlich greifen heute 60.000 Leser auf das kostenfreie Angebot von sciencegarden zu.

Das Konzept für den neuen Deutschen Studienpreis lesen wir nicht als weiteren Reformvorschlag, sondern als geplantes Ende dieser Tradition. Der durch den Bologna-Prozess enger werdende Freiraum im Studium wird durch das Wegfallen des Studienpreises, der ja eine Alternative anbot, zusätzlich verknappt. Warum auch die Körber-Stiftung, immerhin eine der zehn größten privaten Stiftungen des Landes, in dieser Form dem Primat der Verwertbarkeit folgen muss, darüber sind wir verwundert. Nach den vielen Jahren des Engagements für die Ziele der Stiftung sind wir auch enttäuscht. Unserer Meinung nach verliert der Studienpreis durch seine Umstellung auf einen reinen Promotionspreis sein wichtigstes Alleinstellungsmerkmal. Doch nicht nur das:

Der schwammige Faktor der ‚gesellschaftlichen Relevanz‘ soll in Zukunft über die Zuteilung von sehr viel Geld an wenige Glückliche entscheiden. Das Thema gesellschaftliche Relevanz gehört leider zur gegenwärtigen Mode der Forschungsförderung: Keine Bewerbung, kein Antrag, kein Stipendium wird heute vergeben ohne eine solche Begründung. Die Promotionspreise, die jede Universität inzwischen eingerichtet hat, denken diese PR-Kategorie allesamt mit, oft genug jedoch nur als rhetorisches Rechtfertigungsmittel. Das führt hingegen weniger zur Aufwertung ‚wichtiger Themen‘ oder zu mehr angewandter Forschung, sondern eher zum Einüben einer neuen Prosaart. Jede Forschung kämpft selbstredend auf der Seite des Multikulturellen, der Gleichberechtigung der Geschlechter, der Heilung von Krankheiten und für den Weltfrieden – sagen die Texte.

Mit dem Gummikriterium ‚gesellschaftliche Relevanz‘ verabschiedet sich die Körber-Stiftung zudem von der aktiven Rolle eines gesellschaftspolitischen Akteurs, der selbst Themen anstößt. In Zukunft ist man auf die Kreativität und das Gespür von DoktorandInnen angewiesen. (Doch wie sehr, könnte man an dieser Stelle ein wenig zugespritzt einhaken, will man dieser Kreativität und diesem Gespür vertrauen, wenn man von der Bachelor-/Masterausbildung erwartet, dass sie die Lust am frühen Forschen hemmt und stromlinienförmigere Studierende produziert, die angeblich keine Zeit mehr haben, über gesellschaftlich Relevantes nachzudenken?)

Wenn zudem die Fachjury durch ein Gremium von Fachfremden ersetzt wird, dann besteht die Gefahr, dass eine Art Gutachtenpreis entsteht. Die tatsächlichen, hochspezialisierten, nur an die Fachkollegen der Promotionskommission gerichteten Gutachten, können von Fachfremden in der Regel kaum nachvollzogen oder gar bewertet werden. Doktorväter können auf Ansprache die Gutachten so verfassen, dass sie beim – aus zahlreichen Professoren bestehenden! – Kuratorium auf Wohlwollen treffen. Mit der Auswahl der Kuratoriumsmitglieder wird bereits feststehen, in welche Richtung der Hase laufen wird. Bleibt allenfalls die Streuung der (moralischen) Themen übrig, also ein wenig Medizin, etwas Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, auch Multikulti oder Weltfrieden, die Gender-Aspekte nicht zu vergessen? Wie soll die Auswahl erfolgen?

Das neue Konzept bekräftigt den Rückzug aus der Förderung von (vielen) Personen und eine Aufwertung von Einzelpersonen und PR-Effekten für die Körber-Stiftung. Entsprechend dem gesellschaftlichen Trend soll das Prinzip gelten: Wer hat, dem wird gegeben. Nicht die jungen, engagierten Nachwuchsforscher sollen bedacht werden, sondern diejenigen, deren Anpassung an das deutsche Universitätssystem bereits gelungen ist. Die Eliteforschung der letzten Jahre hat gezeigt, wie sich die Eliten selbst reproduzieren – warum wird auch die stiftungsbasierte Förderung auf dieses Ziel hin ausgerichtet? Es geht beim neuen Studienpreis um die wenigen, die, strategisch dem Zeitgeist folgend, ihre Forschung als gesellschaftlich relevant verkaufen können. Der Studienpreis wird damit eine höhere Relevanz im Spiel der Drittmittelvergabe bekommen.
Letztlich aber bedeutet der Einstieg in das neue Konzept einen Ausstieg aus der Eliteförderung – und konterkariert damit eines der zentralen Stiftungsziele. Wer Kreativität, Leistung und Verantwortung für die Gesellschaft wirklich fördern will, darf nicht diejenigen, die ihren Weg bereits gemacht haben, nachträglich für das Zurücklegen der Wegstrecke alimentieren.

Elitenförderung, das heißt übersetzt: Förderung begabter, talentierter, kreativer Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und ihren persönlichen Lebensumständen, muss so früh wie möglich ansetzen – und den Willen belohnen, etwas Zusätzliches zu leisten. Leitbilder dieser Strategie sind SchülerInnen, die schon während der Schulzeit Vorlesungen besuchen, oder Studierende, die während und trotz des Bachelorstudiums Zeit und Kraft für außergewöhnliche, unkonventionelle Ideen haben. (Wie wahrscheinlich ist es, dass jemand für den neuen Studienpreis eine Dissertation schreibt? Eingereicht wird in Zukunft also ausschließlich nach dem Motto: ‚Schaun mer mal. Hinschicken kostet ja nur Porto.‘)

Zu guter Letzt ist die Beibehaltung des Titels ‚Deutscher Studienpreis‘ (Englisch: German Students Award), nun da die Studierenden kategorisch ausgeschlossen werden, inhaltlich nicht mehr zu rechtfertigen.

Sina Bartfeld, Berlin
Dr. Frank Berzbach, Bonn
Sandra Birzer, Regensburg
Dr. Axel Bohmeyer, Berlin
Bert Brückmann, Heidelberg
Christian Dries, Freiburg
Tim Engartner, Köln
Dr. Axel Gelfert, Singapur
Dr. Claudia Gerhardt,
Sebastian Gießmann, Berlin
Dr. Martin Gründl, Regensburg
Utz Helmuth, St. Gallen (Schweiz)
Uta Hanft, Berlin
Daniela M. Hirsch, Wien
Wilhelm Hofmann, Landau
Sylvie Horch, Berlin
Nicolas Kerksieck, Sydney/Berlin
Elena Kikina, Berlin
Anne Kober, Frankfurt/M.
Susanne Ludwig, London
Birgit Milius, Braunschweig
Martin Rohrmeier, Cambridge/UK
Claudia Röser, Berlin
Dr. Christoph Scherber, Göttingen
Olaf Stier, Wilhelmshaven
Lily Tonger-Erk, Bonn
UlrichWeger, PhD, Toronto
Dr. des. Katrin Winkelmann, Aachen
Christiane Zehrer, Braunschweig
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