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Magazin für junge Forschung

Zum Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung
Berichte & Reportagen Ausgabe Juni 2001

Rechnen mit Gummibärchen

Dass Mathe nicht unbedingt trocken sein muss, zeigt ein junges Team an der FU Berlin.

 

Wer forschen will, muss rechnen können. Das ist die bittere Wahrheit, nicht nur für Naturwissenschaftler, sondern auch für Psychologen, Soziologen und viele andere Wissenschaftler. Doch Mathematikvorlesungen für Nicht-Mathematiker sind bisher oft eine Qual, sowohl für den Dozenten, als auch für seine schläfrigen Zuhörer. Nicht so bei den Biologen an der Freien Universität Berlin - die Veranstaltung "Mathematik und Statistik für Biologen" ist zu einem gefragten Geheimtipp geworden, statt auf leere Bänke trifft man auf motivierte Studenten und Dozenten.

Der Gedanke hinter der zweisemestrigen, von Tutoren begleiteten Lehrveranstaltung: Biologiestudenten müssen nicht unbedingt zu Mini-Mathematikern werden. Wichtig ist für sie jedoch, einen Einblick in mathematische Vorgehensweisen und logische Denkmuster in einigen für die Biologie relevanten Gebieten der Mathematik zu erhalten. Deshalb wird auch auf einen engen Kontakt mit den Biologie-Dozenten Wert gelegt. Denn das eigentliche Problem mathematischer Modellierung naturwissenschaftlicher Prozesse besteht ja darin, eine Theorie praktisch nutzbar zu machen. Dass dies nur im Dialog geschehen kann, ist sinnfällig; um sich verstehen zu können, sind gegenseitige Fachsprachkenntnisse vonnöten.

Austauschfähigkeit soll vermittelt werden, Mathematik als Verständigungsmittel. Formeln sollen verstanden, nicht gelernt werden. Weniger ist da häufig mehr. `Formalismus' soll etwas von seinem Schrecken verlieren, sich gar als nützlich erweisen. Im Idealfall ließe sich so in diesen zwei Semestern gegenseitiges Vertrauen aufbauen, das in später möglichen Beratungen, an die auch gedacht ist, bestätigt werden muss. Das klingt zunächst reichlich idealistisch und auch nicht neu. Doch lässt sich der Entwurf eines solchen Konzepts auch wirklich umsetzen?

Harald Nusser (30), der momentan als Lehrbeauftragter den Zyklus anbietet, entspricht so gar nicht dem Bild des verknöcherten deutschen Hochschullehrers. Er hält es nicht für sinnvoll, über in der Schule verpasste Chancen im Mathematikunterricht zu klagen, sondern holt seine Studenten dort ab, wo sie stehen.

Seine Tutoren - Nadine (25), Gerhard (24) und Sönke (25) - bieten deshalb zusätzlich zu den üblichen Übungsgruppen Stunden zur Wiederholung des Schulstoffs an. Freiwillig, wie sie betonen. Die Motivation dazu bekommt das eingespielte Team von den Studenten. "Wenn man sieht, mit welchem Engagement viele auf einmal dabei sind, Zurückhaltende ihre Schüchternheit in der neuen Umgebung ablegen, kann man sich selbst der Dynamik nicht entziehen".

Nussers Vorlesungen sind lebendig, Versuche mit Gummibärchen erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit - "sie prägen sich den Studenten ein und lockern zwischendurch auf". Er trägt frei vor - "nur dann kann ich ich selbst sein, der Stoff kommt von mir und nicht vom Konzeptzettel" und bindet seine Hörer in die Entwicklung der neuen Themen ein. Bei 150 Hörern ein Wagnis, das wohl auch deswegen gelingt, weil Nusser sie (fast alle) mit Namen anspricht. "Die Namen erfrage ich, auch noch in den letzten Veranstaltungen des Semesters, wenn ich Leute drannehme, und präge sie mir ein." Dazu hat er auch in den Übungsgruppen der Tutoren Gelegenheit, die er immer wieder besucht. "Ich will dort selbst erleben, worin Schwierigkeiten bestehen und die Studenten direkt ansprechen. Ich möchte wissen, wie viel Zeit sie für die Übungsaufgaben benötigen und ob es ihrerseits Verbesserungsvorschläge gibt."

Dass Mathematik mehr sein muss als die Zusammenfassung von Definitionen, Formeln und Sätzen ahnen die jungen Biologiestudentinnen und -studenten, wenn Nusser (in gespielter Empörung) fragt, wozu Mathematik gut sei, wenn man nicht einmal selbstverständliche und einfach scheinende Zusammenhänge exakt mathematisch beschreiben könne, oder sie ahnen es bei der irrelevant anmutenden Frage, ob denn Mathematik eine Naturwissenschaft sei. Auf die Frage nach seinem Veranstaltungsziel antwortet Nusser: "Das wäre erreicht, wenn die Studenten begreifen, dass gerade bei der Anwendung von Statistik vorab mathematischer Rat eingeholt werden sollte. Und wenn sie bei einem solchen Beratungsgespräch dann schließlich selbst einen aktiveren Part übernehmen würden."

Ob er dieses ehrgeizige Ziel wohl erreicht haben mag? Wie einige von Nussers Studentinnen und Studenten über ihre Mathematikveranstaltungen denken, können Sie hier lesen.

> Statistik für Biologen
> Studenten zu den neuen Mathekursen an der FU Berlin

Beitrag von Harald Nusser | Beitrag empfehlen

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